PETER-SODANN-PREIS FÜR OSTZONALE GESINNUNG.
Sehr geehrter Herr Hallervorden,
zunächst herzlichen Glückwunsch! Sie haben sich den Preis wirklich schwer verdient. Gerade als einer, der »immer gegen den Strom schwimmt«, wie Sie nicht müde werden zu betonen. Denn wenn man Ihnen Glauben schenkt, waren Sie schon immer ein Oppositioneller. Schon als Schüler in Dessau Anfang der 1950er Jahre, die DDR war gerade gegründet, hätten Sie sich gegen das neuerliche Unrechts-Regime gestellt. Ihre Aktivitäten müssen allerdings so klandestin gewesen sein, dass davon nur leider niemand etwas mitbekommen hat. Das an sich stellt kein Problem dar. Wir sind vielmehr davon beeindruckt, wie eng Ihre Haltung u.a. gegen das Arbeiter-und-Bauern-Schweinesystem an einen ausgewachsenen Verfolgungswahn geknüpft ist. So wähnten Sie sich in Ost-Berlin als Student der Romanistik bereits von der Stasi beschattet. Und erwähnen dabei gern Ihre Dolmetschertätigkeiten, die Sie als Dessauer Regimegegner bei offiziellen Anlässen für die DDR übernahmen, bei denen Sie in die Übersetzungen Ihre eigenen Wertungen einfließen ließen und, Ihr eigener O-Ton, »aus Spaß« falsch dolmetschten. Dass alles mitgeschnitten wurde, das war jetzt kein Geheimnis. Und, nun ja, was soll man sagen, a bisserl deppert is scho, gell? Sie jedenfalls glaubten, alsbald aufzufliegen und machten Sie sich flugs gen Westen auf. Und tatsächlich wurden Sie von der Stasi beobachtet – allerdings erst nach ihrer auffällig überstürzten Abreise nach West-Berlin.
Aggressive Weinerlichkeit
Sie sagen gern Ihre Meinung, Sie beziehen Position und mischen mit. Doch wenn daran Kritik geäußert wird, jammern Sie schlimmer herum als Nancy aus Könnern, wenn sie herausfindet, dass die Peggy aus Bernburg mit ihrem Ronny, naja, Sie wissen schon. So wie etwa in den achtziger Jahren: »Ich sollte bald zu spüren bekommen, dass man sich nicht ungestraft für die Partei einer Minderheit einsetzt«. Was war passiert? Setzten Sie sich für die DKP ein? Waren Sie RAF-Sympathisant? Versteckten Sie sich einen PKK-Kurden in der Garage? Zugegeben: Bei Ihrem subversiven Aktionismus gegen den Sozialismus ist all das unwahrscheinlich. Nein, Herr Hallervorden, Sie sahen sich bereits mit einem Bein im Gulag, als Sie sich – Sie ahnen sicher schon, was jetzt kommt, stimmt’s? – in mehreren Wahlkämpfen für die FDP einsetzten und mit Ihrem Engagement nicht überall auf Zustimmung stießen. Bei einem Showprogramm mit mehreren Komikern wurden Sie dereinst solange ausgebuht, bis Sie die Bühne wieder verließen. Diese Schmach haben Sie lange nicht verwunden. Noch zwanzig Jahre später beklagten Sie sich: »Diese Art der politischen Auseinandersetzung entspricht […] nicht unbedingt meinem Demokratieverständnis.« Demokratie heißt also für Sie, dass Sie zwar Ihre Meinung sagen dürfen, bei Widerspruch hingegen kommen Ihnen schneller die Tränen als bei einem übersensiblen Kindergartenkind.
Am meisten scheint es Sie zu treffen, wenn Sie sich als Schauspieler nicht ernst genommen fühlen. Denn dann tritt Ihre aggressive Weinerlichkeit am stärksten zutage. Im Klappentext Ihrer 2005 erschienenen Autobiografie nennen Sie namentlich die Leiterin einer Berliner Schauspielschule, die, vermutlich längst tot oder dement, Sie fast fünfzig Jahr zuvor »mangels Begabung« zum Studium ablehnte. Finden Sie das nicht ein bisschen übertrieben? Nein? Das dachten wir uns. Denn Ihre verletzte Seele macht jeder Ratio den Garaus.
Ihre größte Kränkung ist zugleich mit Ihrem größten Erfolg verbunden. In den sechziger Jahren gründeten Sie das Berliner Kabarett Die Wühlmäuse, das Sie bis heute leiten. Doch die Shows dümpelten zunächst vor sich hin und wurden beim Publikum erst dann beliebt, als Sie politische Satire gegen albernen Klamauk tauschten. Während einer Vorführung wurden Sie 1974 von Fernsehredakteuren entdeckt, und durch sie ging Ihre Karriere dann steil bergauf. Ein Jahr später begann die TV-Slapstick-Reihe Nonstop Nonsens, die im Hauptprogramm zur Primetime lief. Sie erfanden und spielten die Figur des tollpatschigen Didi, die hernach als Vorlage für Kinofilme diente. Doch die Absatzzahlen Ihrer Filme, die in den achtziger Jahren liefen, sanken irgendwann. Wie Sie sich zurechtgereimt haben, lag der schwindende Erfolg jedoch nicht am rumpeldummen Format, den üblichen Abnutzungserscheinungen bei Fortsetzungen oder einem sich ändernden Zeitgeist. Sondern an der Art der Filmtitel, die auch dann noch Klamauk-Didi ankündigten, als dieser sich längst als Satire-Dieter fühlte.
Sie waren Hauptakteur unterschiedlicher Unterhaltungsformate im Fernsehen. Und auch wenn Sie erst durch Didi erfolgreich und berühmt wurden, so ist Ihnen die Figur, die Sie seit den neunziger Jahren nicht mehr spielen, ein Dorn im Auge. Sie fühlen sich missverstanden wie ein Teenager – bloß dass Ihre Pubertät wohl nie aufzuhören scheint –, denn als Schauspieler könnten Sie – Ihrer Meinung nach – mehr als nur den drolligen Tollpatsch darstellen. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis Ihnen zwei offenbar unzurechnungsfähige Regisseure Charakterrollen anboten. Den ersten Job bekamen Sie von einem, der in seinen Filmen traditionell nur einen einzigen Gesichtsausdruck darzustellen vermag, dessen Talent für die Schauspielerei also in etwa so groß ist wie das Leben einer Eintagsfliege lang. In Til Schweigers Film Honig im Kopf – der, auch wenn sich die Assoziation nahezu aufdrängt, keine Verfilmung seiner Autobiografie ist – konnten Sie so eine erste »ernsthafte« Rolle übernehmen. Für das Drama Das letzte Rennen, erhielten Sie 2014 als »bester Hauptdarsteller« (kein Scherz!) gar den Deutschen Filmpreis. Doch anstatt sich in Ihrer Dankesrede bei der Verleihung über den Preis zu freuen, sahen Sie in ihm nur die Gelegenheit für eine Abrechnung: »Für mich ist der Preis eine große Genugtuung. Er ist eine saftige Ohrfeige für alle jene Möchtegernkritiker, die mich jahrzehntelang als Komödianten abgewatscht haben.«
Dümmliche Kapitalismusschelte
Allein Ihr Kabarett Die Wühlmäuse empfiehlt Sie mehr als jeden Anderen für den Peter-Sodann-Preis. Bei all Ihrem Ruhm und Ihrem Engagement für die FDP haben Sie den kleinen Mann nicht vergessen, der mit seinen Opferallüren (belogen und betrogen) in Ihrem Haus eine zweite Heimat und in Ihnen einen verständnisvollen Gleichgesinnten gefunden hat. Doch was für so einen Kabarettabend mühsam zusammengeschrieben werden muss, lassen Sie problemlos an einem Vormittag vom Stapel – gerade dann, wenn man Sie nicht danach fragt. So gelten Ihnen Fernsehredakteure als »Motten«, die um den »Erfolg«, Sie meinen dabei sicherlich sich selbst, umherschwirren würden. Auch Künstleragenturen bekommen bei Ihnen ihr Fett weg: »Agenturen lassen Künstler ja auch nur deswegen zwei Stunden auf der Bühne agieren, weil sie diese Zeit brauchen, um die Abrechnungsunterlagen zu frisieren! Ich will damit nicht behaupten, dass alle Agenten so veranlagt sind. Ich will das nicht behaupten – ich bin fest davon überzeugt.« Die bösen, gierigen Kapitalisten und ihre Marionetten im Kulturbetrieb beuten den armen Mann, der doch nur seinen Ideen folgt und Kunst auf die Bühne bringen will, aus – fertig ist Ihr nicht eben komplexes Weltbild. Zuletzt gelang es Ihnen, Ihre überschaubare Sicht auf die Dinge in einigen Liedern zum Ausdruck zu bringen. Im Song Oh je, Vau Weh nehmen Sie sich – eine wahrhaft mutige Tat! – des VW-Skandals an und spielen den Tabubrecher, wo Sie doch nur ein verkalkter Lautsprecher der Mehrheit sind. Ein Beispiel? »Wer lügt, dass sich die Balken biegen, muss einfach eine drüber kriegen. Man sollte diese feinen Herrn ganz schnell vor Gerichte zerrn‘. Bescheißen und die Welt verpesten, jetzt geht es an die weißen Westen. Ich freu mich, wenn der Knast sie ruft, dort atmen sie gesiebte Luft.« Gerechte Strafen sind Ihrer Meinung nach Prügel, Peitschenhiebe und körperliche Züchtigung im Allgemeinen. Da diese dankenswerterweise hierzulande nicht zum Repertoire der Justiz gehören, wie es sich autoritäre Ärsche, wie Sie einer sind, gern wünschen, geben Sie sich zur Not aber auch mit Gefängnisstrafen zufrieden.
Ihr zweites Lied brachten Sie im vergangenen Jahr pünktlich zu Ihrem 80. Geburtstag raus. In Ihr macht mir Mut vertonen Sie Verschwörungstheorien, die bei Montagsdemonstranten und anderen Irren populär sind. Sie stimmen sicher zu, wenn wir den Inhalt in einem Satz so zusammenzufassen: Kapitalisten bedienen die Schalthebel der Welt und schüren Konflikte, wenn sie davon profitieren. Geht in Ordnung? Danke. Ohne »Lügenpresse« in den Mund zu nehmen, singen Sie von den Medien, die die Wahrheit über Umweltverschmutzung und Kriegsursachen verschweigen würden. Ohne Juden direkt zu benennen, zeichnen Sie ein klassisch antisemitisches Weltbild nach. So ist es auch kein Zufall, dass in Ihrem Song über die Banken- und Börsenmacht genau zwei Länder angeprangert werden: Botswana und Schweden. Nein, war nur Spaß, Didi. Selbstverständlich sind es die USA und Israel, die Sie als Übel der Welt brandmarken. In diesem Song gelingt es Ihnen sogar, sich als Opfer zu inszenieren: »Willst ’n offenes Wort riskieren, Spekulanten kritisieren, hängt ’n Shitstorm gleich an Dir. Magst Du Netanjahu nit, bist Du schnell Antisemit! Super coole Rufmordprofis, für die sind wir alle Doofis. […] Du musst, siehst Du das nicht ein, anti-amerikanisch sein. Nur wer rutscht auf seinen Knien, dem haben die USA verziehn.« Hier verbindet sich Ihr weinerlicher Verfolgungswahn – die »Rufmordprofis« haben Sie längst auf der Liste – in einer wirklich schönen Variante mit Antikapitalismus und Verschwörungstheorien. Und selbstverständlich haben Sie für den Nahostkonflikt, von dem Sie sich angezogen fühlen wie der Grizzly vom Honigpott, Ihren eigenen Lösungsansatz: »fairer Interessensausgleich, […] gleichberechtigt und auf Augenhöhe«. So geht das! Ganz einfach. Sie hatten sicherlich an »Fairness«, und »neutrale Berichterstattung« gedacht, als Sie 2014 von einem »menschenverachtende[n] Krieg Israels« fabulierten, von »David gegen Goliath, 10.000 Mann gegen einen!«. Oder nicht? Doch Antisemit, nein, das sind Sie natürlich nicht: »Und ich träume davon, dass es in Deutschland möglich ist, Teilen der israelischen Regierung einen Verstoß gegen UN-Resolutionen und die Menschenrechte vorzuwerfen, ohne gleich in den Verdacht zu geraten, Antisemit zu sein«. Wissen Sie was, Didi? Wir möchten lieber nicht wissen, wovon Sie sonst noch so träumen. Dieser Traum jedoch ist leider längst Wirklichkeit geworden, aber da waren Sie anscheinend mal wieder besoffen.
Schlechter Geschmack
Zum Kriterium schlechter Geschmack, Herr Hallervorden, da müssen wir gar nicht mehr so viel ausführen, wir fassen uns kurz. Denn Kabaretteinlagen mit zotigen Pointen oder Lieder mit jämmerlichen Reimen und Melodien, die an Kinderlieder erinnern, sprechen für sich. So richtig überzeugten Sie uns aber erst davon, dass Sie der richtige Mann für unseren Preis sind, nachdem wir Ihre bei Thalia geklaute Autobiografie gelesen haben. In dem Buch finden sich unzählige Belege für Ihren mangelnden Stil. Zum Beispiel, als Sie von einem Unfall mit einer Waffe schreiben, bei dem Ihre Frau einen dauerhaften Schaden erlitten hat: »Meine Gattin ist linksseitig hörgeschädigt. Das macht aber nichts, weil sie mir sowieso nie zuhört.« Ganz ehrlich, man weiß nicht, wer einem mehr leidtun soll, Ihre Frau oder Menschen, die so etwas lustig finden. Mit solchen Witzen konnten Sie in Ihren TV-Shows aber beim Publikum regelmäßig punkten. Sie geben Klischees wieder, die in der Bürokantine oder beim Familientreffen Hochkonjunktur haben. Geradezu obsessiv ist Ihre Beschäftigung mit Schwulen, so häufig fallen in Ihrem Buch Witze oder abfällige Kommentare über Homosexuelle. Egal, ob Sie über einen Schwulen schreiben, den Sie in einer Ihrer TV-Rollen spielten, oder über einen, den Sie tatsächlich getroffen haben: Die Darstellung ist immer stereotyp. Schwule sind bei Ihnen Tunten, die nur den Geschlechtsakt im Sinn haben. Wenn Sie über Homosexuelle reden, werfen Sie mit Beschimpfungen (»fußballunkundige Schwuchtel«) nur so um sich. Besonders schlimm wird es, wenn sich Ihr Hass auf die Linkspartei als SED-Nachfolgepartei – wir erinnern uns an dieser Stelle mit Freude an den »oppositionellen Dolmetscher« – mit Ihrer Abneigung gegen Schwule vereint. In Ihrer Autobiografie schreiben Sie gegen den Sozialdemokraten Klaus Wowereit an, der als Regierender Bürgermeister Berlins mit der PDS bzw. der Linkspartei koalierte: »Wowereit […] bekannte vor Jahren seine sexuellen Vorlieben, aus denen sich klar ergibt, dass er keine Kinder zeugen kann. Sein Kommentar damals: ›Und das ist auch gut so!‹ Dem ist nichts hinzuzufügen!« And the winner is…Hallervorden.
Verehrte Leserinnen und Leser, sollte der Schlag des Schicksals Sie irgendwann unerwartet treffen und Sie unserem Preisträger überraschend begegnen, so sprechen Sie ihn bitte laut mit »Didi« an und fügen Sie – selbstverständlich ohne eine Reaktion abzuwarten – »Palim, Palim« an. Wiederholen Sie, während sie mit dem Kopf wackeln, die Ansprachen mehrere Male. Denn beide hasst er wie die Pest.
Anja Finow und Manfred Beier
Diether Dehm, der seinen Kumpel den Ex-RAF-Terroristen Christian Klar in seinem Bundestagsbüro beschäftigte, will es vor den Feiertagen mit Didi Hallervorden knallen lassen.
Die Knallcharge Didi wurde vom Linken-Politiker Diether Dehm zum Adventssingen im Bundetag eingeladen, um unter dem Motto „Aufruf an die Menschlichkeit“ frei zu sprechen:
„Es sollte alles politischer sein. Zwischen die Weihnachtsmusik sollte eine Aussage eingebettet werden. Es sollte ein bisschen knallen, also rein symbolisch. Hallervorden passt dazu. Aber er macht die ganze Sache auch ein bisschen unberechenbar.“
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/dieter-hallervorden-kritik-an-recep-tayyip-erdogan-beim-adventssingen-im-bundestag-a-1125714.html
Schenkt ihr Didi bitte das Gesellschaftsspiel »Nobody is Perfect«?
Mit alten Spinnern wie Hans-Christian Ströbele könnte er sich dann in den Ruhestand juxen:
Didi wettert gegen den verallgemeinerten Feind der deutschen Borniertheit: Trump
https://www.vice.com/de/article/didi-hallervordens-neues-spott-lied-das-hat-nichtmal-donald-trump-verdient