Im Folgenden dokumentieren wir vier der zahlreichen Solidaritätsbekundungen, die von verschiedenen Gruppen als Reaktion auf den gegen den AK Antifaschismus gerichteten Auflösungsantrag öffentlich gemacht wurden.
An die Mitglieder des Stura Uni Halle
Fassungslos, wenn auch leider nicht überrascht, haben wir den Antrag der Offenen Linken Liste der Universität Halle, der Grünen Hochschulgruppe und der Juso-Hochschulgruppe Halle, den AK Antifa (AG Antifa) aufzulösen, zur Kenntnis genommen. Nun sind uns Forderungen danach, antifaschistische Hochschulgruppen und Arbeitskreise aufzulösen sowie Antifa-Referate abzuschaffen, nicht neu; sie begleiten auch unsere politische Arbeit von Beginn an und damit seit etwa 30 Jahren. Bisher jedoch gingen diese Initiativen von Burschenschaftlern und dem RCDS aus oder aber von der Hochschulleitung und Lokalpolitikern, denen antifaschistische Kritik zu unbequem wurde und die sich daran störten, dass studentischer Protest – in unserem Fall beispielsweise gegen ein mit erzkonservativen Islamverbänden besetztes Islam-Institut – erfolgreich in die (mediale) Öffentlichkeit getragen worden ist.
Seit geraumer Zeit jedoch beobachten wir, dass vor allem linke Listen die Gründung von antifaschistischen Arbeitskreisen und Hochschulgruppen sowie die Einrichtung von Antifa-Referaten im Osten Deutschlands Anfang der 1990er Jahre geschichtsvergessen als ‚Fehler‘ ansehen und deren „Privilegien“ immer dann zur Debatte stellen wollen, wenn diese etwas zu erfolgreich Kritik an linken Selbstgewissheiten üben. Welche Relevanz die von den Antragstellern monierte „reine Theoriearbeit“ für politische Initiativen in Halle hat, haben in den vergangenen Tagen auch und gerade jene Gruppen bzw. Initiativen zum Ausdruck gebracht, die bereits Gegenstand der Kritik des AK Antifa geworden sind: Sie sehen in dieser „guten und wichtigen theoretischen Input“, der „wertvoll in der Reflektion eigener Standpunkte von außen“ ist (Kick them out – Nazizentren dichtmachen); sie hat sich für sie „als gewinnbringend herausgestellt, auch und gerade wenn sie in die Kontroverse führte“ (Linksjugend solid Halle).
Statt sich nun selbst ins Handgemenge zu begeben und zumindest zu versuchen, eine Kritik an den Inhalten der inkriminierten Veranstaltungen zu formulieren, bringen die Antragssteller in ihrem Antragstext, den wir mangels Argumenten nicht zur Begründung adeln wollen, lediglich Falschbehauptungen vor – darauf hat bereits der AK Alternatives Vorlesungsverzeichnis in seiner „Stellungnahme zum Antrag zur Auflösung des AK Antifa“ hingewiesen. Der AK Alternatives Vorlesungsverzeichnis hat zudem herausgestellt, dass die vom AK Antifa eingeladenen Referenten – die zu nicht geringen Teilen auch zu unseren Referenten gehören und mit denen wir so wenig identisch sind wie der AK Antifa – mit den von ihnen zur Diskussion gestellten Thesen Debatten „begleitet und vorangebracht“ haben. Dem können wir uns nur anschließen. In dem Antrag der Offenen Linken Liste, der Grünen Hochschulgruppe und der Juso-Hochschulgruppe sehen wir daher einen Angriff auf antifaschistische (Hochschul-)Strukturen, der weit über die Stadtgrenze Halles hinausgeht. Er stellt zudem einen Angriff auf die Universität als Ort des Austausches von Meinungen und der Debatte dar – ein Angriff auf die Freiheit des Wortes, der an einer ostdeutschen Hochschule umso schwerer wiegt.
Dass dieser Angriff nun ausgerechnet einen Tag nach dem 9. November und unter Bezug auf das Existenzrecht Israels gerade jenen AK des Sturas ereilt, deren Mitglieder sich für die Belange der jüdischen Gemeinde Halles einsetzen und die zudem durch überaus versierte Thesen zum Anschlag von Halle auch überregional von sich reden machten, zeigt nicht nur, wessen Urenkel, Enkel und Kinder die Antragssteller sind. Dieses fehlende historische Bewusstsein betont auch mit Nachdruck die Notwendigkeit der politischen Arbeit des AK Antifa.
Wir wissen nicht, seit wann genau wir mit dem AK Antifa zusammenarbeiten. Wir können uns an keine Zeit erinnern, in der wir uns nicht mit dem AK Antifa über Burschenschaften und Neue Rechte, über Gedenk- und Erinnerungspolitik sowie Antisemitismus im akademischen Milieu (und fernab dessen) und legalistische Islamisten an und im Umfeld von Hochschulen etc. austauschten; in der wir nicht Mitglieder des AK Antifa zu Vorträgen und Diskussionen einluden oder aber einen Ausflug an der Saale hellem Strande unternahmen, um an einer der vielen geschichtspolitischen Konferenzen des AK Antifa etwa zur Oktoberrevolution oder zum Nachleben des Nationalsozialismus teilzunehmen. Wir schätzen die Analysen und Kritiken des AK Antifaschismus, insbesondere jene zum NSU und zum Anschlag von Halle.
Wir fordern daher die Mitglieder des Stura der MLU Halle auf, sich nicht zu Handlagern von Anti-Antifa-Aktivisten machen zu lassen. Die Auflösung des AK Antifa würde antifaschistische Strukturen in Halle sowie antifaschistische Hochschulstrukturen im Osten Deutschlands dauerhaft schädigen. Die Signalwirkung, die von einer Auflösung ausginge, wäre fatal.
HUmmel Antifa – Antifaschistische Hochschulgruppe der Humboldt-Universität zu Berlin
Referat für Antifaschismus des RefRat (gesetzl. AStA) der Humboldt-Universität zu Berlin
Berlin, 14. November 2021
Statement des Conne Island zur Praxis hallischer Hochschulgruppen
Das BetreiberInnenkollektiv des Conne Island nimmt mit Bedauern den Antrag der Offenen Linken Liste MLU, der Grünen Hochschulgruppe und der Jusos im Stura der Uni Halle zur Auflösung des AK Antifa zur Kenntnis. Wir schließen uns den Stellungnahmen des AK Antifa (AG Antifa), der VL Ludwigstraße, der Bonjour Tristesse und weiterer an, um darauf hinzuweisen, dass mit dem Antrag keine inhaltlich begründete Kritik vorgebracht wurde. Stattdessen wurde im zugehörigen Statement nur auf eine diffuse rote Linie verwiesen, die überschritten worden sei. So hätte die AG Antifa mit der Veranstaltung „Austreibung der Natur. Zur Queer- und Transideologie der Gegenwart“ (17.09.2021, VL Ludwigstraße) das „Recht auf Selbstbestimmung in Bezug auf Sexualität, Reproduktion oder Geschlechtsidentität“ verletzt, vielmehr „die bewusste Herabwürdigung von gesellschaftlich marginalisierten Gruppen in Kauf genommen“. Persönliche Betroffenheit als rote Linie zu definieren, um eine demokratische Auseinandersetzung über das abstrakte Thema zu unterbinden, erachten wir als moralisierenden Ausdruck einer autoritären Haltung. Ein solcher Umgang ist allerdings kein Einzelphänomen, sondern steht exemplarisch für die sich seit einigen Jahren einstellende Qualität einer Diskussionsunkultur. Zwar sind die Forderungen zur Auflösung ostdeutscher Antifa-Gruppen nichts Neues, jedoch kamen diese bisher von rechts. Eine Kritik der Queerfeminismus- und Gendertheorie muss möglich bleiben, ebenso wie das Hinterfragen dieser Kritik. Die faktische Deutungshoheit, welche die Hochschulgruppen beanspruchen, sollte der Stura nicht akzeptieren.
Es darf keine gängige Praxis werden, abweichende Meinungen innerhalb der Linken ohne eine inhaltliche Begründung für unzulässig zu erklären. Bedauerlicherweise lässt sich in Leipzig eine ähnliche Entwicklung beobachten. Erinnert sei hierbei an die Feindseligkeiten gegenüber dem Conne Island in Form eines Boykottaufrufs und dem Shitstorm gegenüber dem IfZ, ausgelöst durch das Instagram-Statement einer Antizionistin im Sommer diesen Jahres.
In allen Ereignissen gleicht sich eine dahinter befindende autoritäre Methode. Anstatt einer inhaltlichen Auseinandersetzung fordert man einen Boykott oder die Auflösung der nicht-eigenen Position. Einen politischen Dissens mit einer Feindschaft zu verwechseln, zeugt jedoch von dem Unvermögen, zwischen Gegner und Feind unterscheiden zu können. So wünschen wir uns, dass die AntragstellerInnen zwischen einer Kritik an der queerfeministischen Theorie und tatsächlicher Transfeindlichkeit differenzieren. Sich als VertreterInnen marginalisierter Minderheiten auszugeben mutet nicht zuletzt auch deswegen instrumentell an, wenn Teile der antragstellenden Hochschulgruppen Parteivorfeldorganisationen angehören, deren Mutterparteien zur gewählten Bundesregierung zählen.
Mitnichten gilt es, der AG Antifa in allen Positionen zuzustimmen. Vielmehr ist eine argumentative Streitkultur eine Bedingung dafür, dass die Linke eine Kraft für Herrschafts- und Ideologiekritik bleiben kann. Insofern appellieren wir an die Vernunft des Stura Halle, dem Antrag der Hochschulgruppen nicht stattzugeben.
Solidarische Grüße,
Conne Island
Leipzig, 20. November 2021
Kick them out – aber nicht den AK Antifa aus dem Stura!
Viele haben es schon mitbekommen – die Offene Linke Liste (Olli), Grüne Hochschulgruppe (GHG) und Jusos haben einen Antrag gestellt, den AK Antifa aus dem Stura Halle zu kicken.
Auch wenn wir nicht alle Positionen des AK Antifa teilen – und wir auch häufig genug selbst Gegenstand der Kritik dieses Arbeitskreises bzw. mit ihm verbundener Gruppen waren, finden wir es absurd, Auseinandersetzungen über finanzielle Repressionen zu führen, statt über Inhalte.
Wir sind entsetzt darüber, dass hier nun von „linken“ Gruppen zu Repressionsmitteln gegriffen wird, die sonst staatliche Organe nutzen. Hier soll eine Auseinandersetzung nicht inhaltlich geführt werden, sondern mit Macht beendet werden. Eine fundierte inhaltliche Auseinandersetzung lassen die antragstellenden Gruppen gänzlich missen – sie nennen weder Argumente, noch belegen sie die von ihnen als Tatsachen ins Feld geführten Punkte.
Antifaschismus muss unbequem bleiben. Das war der AK Antifa auch häufig für uns – unbequem und wertvoll in der Reflektion eigener Standpunkte von außen. Der AK Antifa hat uns viel guten und wichtigen theoretischen Input mit auf den Weg gegeben, auch wenn wir nicht immer alle Argumente geteilt haben.
Wir fordern, dass sie das auch in Zukunft mit Rückhalt aus dem Stura machen können. Und seien wir ehrlich – nichts stärkt den Gruppenzusammenhalt mehr, als ein Flyer des AK Antifa gegen die eigene Demo.
Kick them out – Nazizentren dichtmachen
Halle, 12. November 2021
Solidaritätserklärung von En Arrêt! Berlin
Solidarische Grüße gehen heute nach Halle: Weil sie es gewagt haben, die heilige Kuh der Queer- und Transideologie anzurühren, steht die AG Antifa (AK Antifaschismus im Stura der Uni Halle) aktuell mit dem Rücken zur Wand.
Vor weniger als einer Woche wurde mit einem Antrag der Offenen Linken Liste, der Juso Hochschulgruppe sowie der Grünen Hochschulgruppe die Auflösung des Arbeitskreises gefordert. Die inhaltlichen Gründe, die die drei Gruppen anführen, sind ziemlich dürftig, auf der Seite der AG Antifa kann sich jeder ein Bild machen, wie substanzlos das Geraune letztlich bleibt. Trotzdem steht die Bedrohung im Raum, eine seit 25 Jahren kontinuierlich arbeitende antifaschistische Gruppe zu zerschlagen. Dass diese Bedrohung nicht von irgendwelchen Burschenschaften o. ä. Unsympathen kommt, sondern von „linken“ Hochschulgruppen, hat mit dem Thema zu tun, welchem sich die AG Antifa zuletzt theoretisch angenommen hat.
So wird im Antrag auch explizit die Veranstaltung „Austreibung der Natur. Zur Queer- und Transideologie der Gegenwart“ genannt, welche nun angeblich das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht haben soll. Statt sich der inhaltlichen Diskussion zu diesem Thema zu stellen und strittige Punkte anzusprechen, verschanzt man sich lieber hinter einem Antrag mit dem Ziel, sich darüber nicht mehr streiten zu müssen, indem man die Kritiker mundtot macht.
Gendertheorie ist streitbar. Es gibt viele berechtigte Gründe, die Gendertheorie von Judith Butler (& Co) aus antifaschistischer Perspektive einer Kritik zu unterziehen. Der Hang zu einem Postkolonialismus, der sich immer wieder gegen den jüdischen Staat richtet, die Tendenz, vor allem in den sozialen Medien, Kampagnen auch und gerade gegen feministische Frauen zu starten (siehe u.a. T.R. Amelung, Queerfeministischer Transaktivismus auf Twitter, in: T. R. Amelung: Irrwege.) usw. sind Punkte, die einer Bewegung, welche sich „Emanzipation“ auf die Fahnen schreibt, durchaus Anlass zu einer Selbstreflexion bieten sollte.
Diesen Impuls im Interesse aller erniedrigten, geknechteten, verlassenen und verächtlichen Menschen zu setzen, war das Ziel unserer Genossen in Halle. Wir senden die besten Grüße und hoffen auf die nächsten 25 Jahre mit streitbaren Veranstaltungen, Lesungen oder Konferenzen in der Händelstadt.
No pasarán!
En Arrêt! Berlin
Berlin, 15. November 2021
[…] Kurzmitteilungen: Wen wollt ihr eigentlich verarschen? Klara Stock und Co.: Holocaustrelativierung light. Geschäftsmodell Racial Profiling. Solidaritätsbekundungen. […]
Endlich sind die raus! Sehr gut. Steckt euch eure Soliadressen sonstwohin. Diese Fantatrinker haben in Halle ausgespielt!