Am 15. November 2021 sollte der Studierendenrat der Martin-Luther-Universität über die Auflösung des AK Antifa im Stura entscheiden. Zwar wurde die Auflösung des Arbeitskreises aufgrund eines angestrebten Mediationsverfahrens vorerst aufgeschoben. Der Ausgang des Verfahrens bleibt jedoch abzuwarten und ist ungewiss. Den Verbotsantrag hatten die Offene Linke Liste (Olli) und die Hochschulgruppen der Grünen und Jusos auf die Tagesordnung gebracht. Die Begründung der Verbotsforderung lässt nur eine Frage offen: Wen wollt ihr eigentlich verarschen? Als Grund für den Auflösungsantrag wird die Vortragsveranstaltung „Austreibung der Natur. Zur Queer- und Transideologie der Gegenwart“ vorgeschoben, welche vom AK Antifa am 17. September 2021 auf dem Gelände des Kellnerstraße e.V. (VL) organisiert wurde. Obwohl, eigentlich nur der Ankündigungstext.
Dass sich während des Vortrags vor dem VL circa 70 Personen zu einer Kundgebung einfanden, Parolen skandierten wie „VL – raus aus dem Viertel“ und vereinzelten Besuchern und Besucherinnen der Veranstaltung „auf die Fresse“ angeboten wurde, hinterlässt den Eindruck, dass mit Diversität wohl auch Quarzsandhandschuhe tragende Vollprolls gemeint sind. Für den AK Qu(e)er einsteigen, den Organisator der Kundgebung, scheint es kein Problem zu sein, sich mit ihrem Gebaren und ihren Forderungen auf eine Stufe mit Nazis, Hooligans und Wutbürgern zu stellen, welche in den letzten 30 Jahren hin und wieder vor dem VL oder vor anderen soziokulturellen Zentren aufmarschiert sind. Das VL hat dazu ein eigenes Statement veröffentlicht. Der Vortrag selbst, besucht von ca. 80 Personen, die sicher nicht alle der gleichen Meinung waren, verlief friedlich. Dass mittlerweile offene Gewaltandrohungen wie „TERF boxen!“ und Vergewaltigungsphantasien à la „Hetenknechtung“ an die Wände linker Hausprojekte und ihrer näheren Umgebung geschmiert werden, zeigt, welch ideologisches Klima verbreitet werden soll. Um eine befreite Gesellschaft für jeden Menschen geht es diesen Aktivisten jedenfalls nicht.
Liest man den Verbotsantrag der Olli, der Grünen und der Jusos, wird man feststellen, dass man sich offenbar für kein zusammengeheucheltes Argument zu blöd ist. Man selbst pflege ein „kritisch-solidarisches Verhältnis zu weiten Teilen der politischen Linken“ und sei sogar „bereit, Gruppen – auch finanziell – zu unterstützen, deren politische Positionen sich nicht mit“ den eigenen „decken“ würden. Soweit so gut. Allerdings ende „diese innerlinke Solidarität“ dort, „wo gewisse rote Linien überschritten werden, wie das etwa zweifellos der Fall ist, wenn das Existenzrecht Israels oder das Recht auf Selbstbestimmung in Bezug auf Sexualität, Reproduktion oder Geschlechtsidentität in Frage oder gar in Abrede gestellt wird“. Dafür, dass dies jedoch bei der Veranstaltung im VL oder beim nachfolgenden Vortrag mit dem Titel „Homophobie, Frauenfeindlichkeit, Verwertung. Zum queertheoretischen Aktivismus.“ vom 14. Oktober 2021 geschehen sei, wird kein Nachweis geliefert. Es wird zwar behauptet, dass „es vor, während und nach der Veranstaltung viel inhaltliche Kritik gab“, jedoch in der Begründung des Auflösungsantrags nur auf ein Interview von Radio Corax mit einer Person vom späteren Gegenprotest vor dem VL und auf einen Blog verwiesen, welche sich ausschließlich auf den Ankündigungstext beziehen. Der tatsächliche Inhalt der Vorträge scheint für die Offene Linke Liste und Co. keine Rolle zu spielen. Und was das Ganze mit dem Existenzrecht Israels zu tun hat? Keine Ahnung. Aber als rote Linie klingt das doch schon ganz brauchbar. Ausbaufähig, aber brauchbar. An dieser Stelle gebührt der Dank jedoch dem AK Antifa im Stura für 25 Jahre Draufhauen, unermüdlich den Finger in die offen antisemitische Wunde dieser Gesellschaft zu legen und sich nicht von irgendwelchen Gut-Mensch-Deutschen veralbern zu lassen. Aber das nur am Rande.
Liest man die Antragsbegründung weiter, stolpert man unweigerlich über die Bewertung der Arbeit des AK Antifa. Vorwurfsvoll heißt es: „Zum Verständnis sei noch gesagt, dass der AK Antifa keine Demonstrationen organisiert oder sich aktiv an Protesten beteiligt, der AK Antifa fokussiert sich so gut wie immer auf reine Theoriearbeit.“ Es gäbe in Halle viele andere antifaschistische Gruppen, mit denen man sich verbunden fühle. Diese kaum versteckte Theoriefeindschaft im universitären Kontext ist nicht nur erschreckend sondern selbsterklärend, ackert man sich ein paar Zeilen weiter durch die Begründung. Dort werden die möglichen Folgen einer Auflösung des Arbeitskreises beschrieben. So wäre es nicht mehr möglich „weitgehend autonom und ohne das Wissen oder die Zustimmung des Studierendenrates [zu] agieren.“ Problematisch sei das allerdings nicht: „Die Mitglieder des Arbeitskreises können sich selbstverständlich weiter engagieren und wie alle anderen studentischen Gruppen Geld für Projektförderung beim StuRa beantragen.“ Frei nach dem Motto: Sie haben doch immer noch das Recht, Veranstaltungen zu machen und Gelder beim Stura zu beantragen, sind dann halt nur der persönlichen Willkür und Laune jener Mehrheit ausgeliefert, die ihren Arbeitskreis zuvor verboten hat.
Hier zeigt sich, dass es vor allem um eine Machtdemonstration geht. Hier zeigt sich auch ein Paradebeispiel „Deutscher Ideologie“, wenn hallische Möchtegernparlamentarier dem Prinzip folgen, dass wer am lautesten schreit, Recht hat. Am Ende wird man dann von nichts gewusst haben, geschweige denn bereit sein, Verantwortung für die Konsequenzen zu tragen. Dass sie jedoch genau wissen, was sie tun, wird deutlich, wenn sie ihren Antrag mit folgender Überschrift versehen: „Warum wir die Auflösung des AK Antifa beantragen und warum das kein Angriff auf antifaschistische Arbeit im Allgemeinen ist“. Der Angriff ist gezielt. Es ist ein Angriff auf antifaschistische Strukturen. Dem gilt es, entschieden entgegen zu treten. Wen wollt ihr hier verarschen? Egal ob im universitären Kontext oder auf der Straße – Antifa bleibt unbequem!
Haka
[…] Wen wollt ihr eigentlich verarschen? Klara Stock und Co.: Holocaustrelativierung light. Geschäftsmodell Racial Profiling. […]