Die Redaktion der Bonjour Tristesse dokumentiert hier die Stellungnahme des AK Antifaschismus im Studierendenrat der MLU zum Auflösungsantrag der Offenen Linken Liste, der Juso-Hochschulgruppe und der Grünen Hochschulgruppe, die an alle Stura-Mitglieder geschickt und am 12. November 2021 auf der Homepage des Arbeitskreises veröffentlicht wurde. Um eine Einordnung des im Postskriptum verfassten Absatzes zu gewährleisten, möchten wir im Vorfeld einen kurzen Einblick in die Debattenkultur des Studierendenrates und seiner Protagonisten Klara Stock (heißt jetzt Felix) und Anton Borrmann geben: Wie in der Printausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 10.12.2021 berichtet, wurde der AG Antifa, neben allerlei kruden Vorwürfen auch Behindertenfeindlichkeit unterstellt. Hintergrund ist die Beschwerde einer vermeintlich hörgeschädigten Zuhörerin, die nach der Veranstaltung „Die Austreibung der Natur“ vom 17. November 2021, das Manuskript der beiden Referenten einforderte und sich nicht über die lautstarke Gegenkundgebung vor dem Veranstaltungsort mokierte, sondern über eine angeblich undeutliche Aussprache der Referentin. Diese an sich belanglose Geschichte reichte Anton Borrmann, Sprecher des Stura, aus, um den AK Antifa mit dem Vorwurf der Behindertenfeindlichkeit zu konfrontieren. Um die haltlose Anschuldigung zu entkräften, schickte der Arbeitskreis einen Teil des Mitschnitts der Veranstaltung an den Stura, um zu beweisen, dass die Referentin ihre sofortige Bereitschaft signalisierte, ihr Manuskript der womöglich hörgeschädigten Person auszuhändigen. Laut FAZ wurde der Vorwurf der Behindertenfeindlichkeit daraufhin prompt durch den des Datenschutzverstoßes ersetzt, da der AK im Vorfeld der Veranstaltung nicht auf die Aufnahme hingewiesen habe. Der Mitschnitt wurde jedoch auch von der Sitzungsleitung an alle Mitglieder des Studierendenrates weitergeleitet, so dass der Verstoß sowohl dem AK Antifa als auch dem Stura selbst zur Last gelegt werden kann. Auf die Anregung eines Seminars zum Thema Datenschutz durch den AK Antifaschismus wurde seitens des Stura nicht reagiert. Das willkürliche Herausfiltern konstruierter Anschuldigungen sowie die fehlenden Argumente dahinter zeigen einmal mehr, dass den selbsternannten Kämpfern für die Rechte von Transmenschen jedes Mittel Recht ist, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Stellungnahme zum Auflösungsantrag
Es dürfte sich schon rumgesprochen haben: Die Offene Linke Liste der Universität Halle, die Grüne Hochschulgruppe und die Juso-Hochschulgruppe Halle haben den Antrag gestellt, den AK Antifa aufzulösen. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Stura stehen die Chancen hierfür nicht schlecht. Der AG Antifa wurde die Möglichkeit gegeben, vorab eine schriftliche Stellungnahme für die Mitglieder des Sturas zu verfassen, die wir hiermit für die ganze Studierendenschaft und Öffentlichkeit veröffentlichen:
Liebe Mitglieder des Stura,
uns hat vorgestern der Antrag der OLLi, der GHG und der Jusos erreicht, den AK Antifa aufzulösen. Trotz der Kurzfristigkeit sind wir dankbar für die Möglichkeit, Euch eine kurze Stellungnahme zukommen lassen zu können.
Der AK Antifaschismus hat in den letzten Jahren Dutzende von Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen, Leseabenden, Filmvorführungen, Podiumsdiskussionen und Seminaren organisiert, denen stets eines zugrunde lag, nämlich ein weiter Antifaschismusbegriff. Antifaschistische Arbeit besteht für uns nicht ausschließlich im Benennen neonazistischer Strukturen (so wichtig das gerade in den neuen Bundesländern ist) oder im Organisieren von Demonstrationen (was für einen Arbeitskreis des Studierendenrates juristisch ohnehin nicht so einfach ist), sondern in der Stärkung kritischen, das heißt: aufklärerischen Denkens. Das hat für uns immer auch bedeutet, nicht nur Veranstaltungen zu organisieren, die aktuelle linke Mehrheitsmeinungen bestätigen, sondern sie auch kritisch hinterfragen. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts hat gezeigt, dass kritisches Denken weniger durch die stetige Wiedergabe von Partei-, Bewegungs- oder Generallinien entsteht, als durch das Aufzeigen der Möglichkeit, sie auch in Frage zu stellen. Deshalb war uns die Fähigkeit, im richtigen Moment „Nein!“ sagen zu können und nicht mitzumachen, immer wichtiger, als dass alle einer Meinung sind – und sei es auch unsere.
Damit glauben wir zugleich, den Auftrag ernst zu nehmen, den das Hochschulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt den Arbeitskreisen des Studierendenrates zuweist, nämlich die Meinungsbildung in der Gruppe der Studierenden zu ermöglichen (§ 65, 1.1. HSG LSA) und die politische Bildung zu fördern (§ 65, 1.4 HSG LSA).
Umso erstaunter waren wir deshalb über den Antrag, den AK Antifa aufzulösen. Zugegeben: Wir sind solche Versuche gewöhnt. Früher kamen sie allerdings vor allem aus einer anderen Richtung, namentlich aus dem stark rechtskonservativen Spektrum oder dem Kontext studentischer Verbindungen. Dort scheint man sehr genau erkannt zu haben, dass die Art des Antifaschismus, die der AK Antifa vertritt, gefährlicher für den Bestand des eigenen Weltbildes ist, als eine reine Konzentration auf neonazistische Gruppen. Dass ein Antrag von linker Seite gestellt wird, ist für uns nicht vollkommen neu, macht uns trotzdem fassungslos – auch deshalb, weil wir trotz aller Belehrungen durch das 20. Jahrhundert einen emphatischen Begriff von dem haben, was „links“ ist, nämlich das Eintreten für eine offene Gesellschaft, Diskussionen und die Möglichkeit des freien Austauschs. Das Gleiche gilt unserer Meinung nach für eine Universität, die ein Ort des Meinungsaustauschs und der Debatte sein sollte.
Deshalb plädieren wir dafür, dem Antrag nicht stattzugeben – um gar nicht erst von dem fatalen Signal zu sprechen, das es in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation wäre, wenn der Studierendenrat einer großen Universität seinen Antifaschismus-Arbeitskreis auflösen würde. Der Applaus von der falschen Seite dürfte sicher sein.
Euer AK Antifa
P.S. Ein Nachtrag zum Datenschutz: Seine Wichtigkeit ist uns auf jeden Fall bewusst. Wir haben den Eindruck, dass in dieser Hinsicht im gesamten Stura ein gewisser Nachholbedarf besteht. Deshalb möchten wir ein Stura-internes Seminar dazu anregen.
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