Die beiden folgenden Texte wurden am 14. Oktober 2021 als Vorträge auf einer Diskussionsveranstaltung des Arbeitskreises Antifaschismus mit dem Titel „Homophobie, Frauenfeindlichkeit und Verwertung. Zum queertheoretischen Aktivismus“ gehalten. Für eine bessere Lesbarkeit wurden sie leicht überarbeitet. (1/2)
Self-ID und Penisfetisch.
Über frauen-, schwulen- und lesbenfeindliche Tendenzen im Queerfeminismus
Anlässlich einer Veranstaltung des AK Antifa, eines Arbeitskreises des örtlichen Studierendenrates, versammelte sich am 17. September 2021 vor den Räumlichkeiten der linken Szenekneipe VL, in welcher die Veranstaltung stattfand, eine wütender, dauerbeleidigter Mob von ca. 100 Transrechtsaktivisten mit dem erklärten Ziel, die vermeintlich transfeindlichen Vorträge zu stören. In einem Redebeitrag der Demonstrationsveranstalter, die sich selbst Feministen schimpfen, wurde folgende Frage gestellt: „Welcher unserer Kämpfe schadet den Cisfrauen?“(1) Außerdem ließen die Demonstrationsteilnehmer verlauten: „Unsere Kämpfe sind feministische Kämpfe!“ Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern bestimmte transpolitische Ziele mit der feministischen Forderung des Schutzes von Frauen vor sexistischer und sexualisierter Gewalt unvereinbar sind und Frauen schaden. Es wird zu klären sein, ob der Transrechtsaktivismus überhaupt als feministischer Kampf begriffen werden kann. Außerdem werden die schwulen- und lesbenfeindlichen Tendenzen des queertheoretischen Aktivismus thematisiert.
Frauenschutz und Self-ID
Die Forderungen der Redner der queerfeministischen Demonstration in Halle kommen auf den ersten Blick einfach und harmlos daher. So sprach man sich unter anderem für die Abschaffung des Transsexuellengesetzes zugunsten eines „modernen“ Selbstbestimmungsgesetzes, welches ein Recht auf Self-ID beinhalten soll, aus. Man forderte das Ende eines „Therapiezwangs“ als Voraussetzung für eine Transition und einen besseren Schutz von Transpersonen in Gefängnissen. Außerdem wurde die Einführung von Toiletten für alle „gender“ gefordert.
Warum jedoch der Frauenschutz mit der Einführung eines Rechts auf Self-ID – mit dem Recht also, allein durch einen performativen Sprechakt bestimmen zu können, ob man männlich oder weiblich sei – unvereinbar ist, zeigen Fälle wie der von Karen White, geboren als Stephen Terence Wood, aus Großbritannien.(2) White war unter anderem wegen eines pädophilen Übergriffs und wegen Sexualverbrechen gegen Frauen mehrfach vorbestraft. Während eines weiteren Prozesses wegen Vergewaltigung erklärte er in Übereinstimmung mit dem britischen Recht, eine Frau zu sein und wurde nach seiner Verurteilung in ein Frauengefängnis überführt. Dort verübte er gegen zwei Mitinsassinnen sexuelle Übergriffe. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch keine geschlechtsumwandelnden Maßnahmen vornehmen lassen und galt rechtlich noch als Mann. Möglich gemacht hatte die Übergriffe eine Verordnung des britischen Justizministeriums aus dem Jahr 2017 zum Umgang mit Transgenderinsassen, welche ihnen das Recht auf Self-ID einräumt.(3)
Frauenschutzräume waren eine durch die zweite Welle des Feminismus erkämpfte Errungenschaft. Durch sie sollten Orte entstehen, an denen Frauen vor von Männern verübter Gewalt sicher sein und unter sich über Diskriminierungserfahrungen sprechen konnten. Frauenschutzräume nun für Transfrauen zu öffnen, bringt das Problem mit sich, dass diese Räume dadurch für Personen mit männlicher Sozialisation und Biologie zugänglich werden. Das ist der Grund, warum sich Transfrauen in Frauenschutzräumen häufig wie Wölfe im Schafspelz benehmen, denn schließlich ging diese Sozialisation in einer Gesellschaft vonstatten, in der es ein gestörtes Verhältnis zwischen den Geschlechtern gibt. Das schlägt sich selbstverständlich auch im Individuum nieder und sorgt unter anderem dafür, dass sexuelle Gewalt von Männern gegen Frauen, unabhängig von der offiziell allseits beschworenen Gleichberechtigung, immer wieder übersehen oder mit absurder Nachsicht behandelt werden. Dieser Dissonanz können auch Trans-Menschen nicht einfach entkommen. Transfrauen legen durch geschlechtsumwandelnde Maßnahmen diese Sozialisation und ihre körperliche Überlegenheit, die durch das Durchleben einer männlichen Pubertät entsteht, nicht einfach ab. Folglich verlieren sie auch ihre potentielle Gefährlichkeit für Frauen und eine möglicherweise vorhandene sexistische Weltanschauung nicht ohne weiteres.
Auch wenn man sich Statistiken zur Straffälligkeit von Transfrauen anschaut, fällt auf, dass ihre Kriminalitätsmuster denen von Männern ähneln. Im Jahr 2018 veröffentlichte das britische Justizministerium eine Statistik, die zeigt, dass die Hälfte der Transfrauen, die sich im Gefängnis befinden, für mindestens eine Sexualstraftat verurteilt wurde, oft auch für mehr. Zum Vergleich: Nur ein Prozent der Sexualstraftäter in Großbritannien ist weiblich.(4)
Gerade die Bedeutung der Biologie wird von queerfeministischer Seite immer wieder negiert. Mantrahaft wird beschworen, dass Transfrauen Frauen sein. Wer es wagt, darauf hinzuweisen, dass es nach dem jetzigen Stand der Medizin nicht möglich sei, einen männlichen Körper in einen weiblichen zu transformieren, wird als TERF denunziert.(5) Was für einen entscheidenden Unterschied die Biologie eben doch macht, zeigt die Transgender-MMA-Kämpferin Fallon Fox. Sie schlug bei einem Wettkampf ihre weibliche Gegnerin Tamika Brents so heftig, dass diese einen Schädelbruch erlitt.(6) Brents sagte dazu in einem Interview folgendes: „Ich habe gegen etliche Frauen gekämpft und nie eine solche Stärke in einem Kampf gefühlt wie in dieser Nacht. Ich kann nicht sagen, ob es daran liegt, dass sie als Mann geboren wurde oder nicht, da ich kein Mediziner bin. Ich kann nur sagen, dass ich mich noch nie im Leben so unterlegen gefühlt habe und dabei bin ich selbst eine anormal starke Frau. Ich lehne es immer noch ab, dass Fox zu Kämpfen zugelassen wird. Bei jedem anderen Job oder in jeder anderen Karriere würde ich sagen, geht klar, aber wenn es zum Kampfsport kommt, denke ich, dass das nicht fair ist.“(7)
Tolerierter Sexismus
Wie salonfähig offener Sexismus mittlerweile in der Transbewegung ist, führte zuletzt so unfreiwillig wie beindruckend die Transfrau Andrea Long Chu vor. Long Chu gilt als Ikone der Bewegung und genießt mit ihren Thesen breite Aufmerksamkeit. Sie veröffentlichte unter anderem schon Beiträge in der New York Times. In ihrem Buch Females. A concern lässt sie verlauten: „Im Mittelpunkt von Sissy-Pornos steht das Arschloch, eine Art universelle Vagina, durch die man immer Zugang zur Weiblichkeit hat. […] Gefickt zu werden, macht einen weiblich, denn gefickt zu sein, macht eine Frau aus“.(8) Zur Erklärung: Sissyporn ist ein BDSM-Pornogenre, in dem Frauen und als Frauen verkleidete Männer eine extrem unterwürfige Rolle spielen und häufig aufgrund ihrer tatsächlichen oder dargestellten Weiblichkeit degradiert und gedemütigt werden. Diese Art von Pornographie hat nach Long Chus eigenen Angaben in ihr überhaupt erst den Wunsch nach einer Transition ausgelöst.(9)
In einem andern Text schreibt sie: „In allen Fällen wird das Selbst ausgehöhlt und zum Inkubator für eine fremde Macht gemacht. Weiblich zu sein bedeutet, dass man sein Begehren von jemand anderem ausleben lässt, und zwar auf eigene Kosten.“ Und weiter: „Ich bezweifle, dass irgendjemand von uns die Geschlechtsumwandlung nur deshalb vollzieht, weil wir auf eine abstrakte, akademische Art und Weise Frauen ‚sein‘ wollen. Ich habe das sicher nicht getan. Ich vollzog die Geschlechtsumwandlung für Klatsch und Tratsch, für Komplimente, Lippenstift und Wimperntusche, fürs Weinen im Kino, dafür jemandes Freundin zu sein, dafür, dass sie die Rechnung bezahlt oder meine Taschen trägt, für den wohlwollenden Chauvinismus von Bankangestellten und Kabeltechnikern, für die telefonische Intimität einer weiblichen Fernfreundschaft, dafür, dass ich mich im Badezimmer schminken kann, flankiert wie Christus von einer Sünderin auf jeder Seite, für Sexspielzeug, um mich heiß zu fühlen, dafür, von Butches angemacht zu werden, für das geheime Wissen, vor welchen Lesben man sich in Acht nehmen muss, für knappe Hotpants, Bikinioberteile und all die Kleider, und, mein Gott, für die Brüste. Aber jetzt sehen Sie das Problem mit dem Begehren: Wir wollen selten das, was wir wollen sollten. Jede TERF wird Ihnen sagen, dass die meisten dieser Dinge nur die traditionellen Insignien der patriarchalen Weiblichkeit sind.“(10)
Ich lasse das an dieser Stelle einfach mal für sich stehen. Auch wenn ich nicht davon sprechen würde, dass wir noch unter einem Patriarchat leben, muss nicht weiter ausgeführt werden, dass diese Ergüsse sexistisch bis frauenverachtend sind. Wer das bestreitet, dem ist schlichtweg nicht mehr zu helfen. Wer glaubt, Long Chu erfährt von queeraktivistischer Seite irgendeine Form von Einspruch, der täuscht. Sie wird für diese Auslassungen nicht etwa scharf kritisiert, sondern gefeiert.(11)
Aber wäre etwas anders zu erwarten gewesen? Schließlich sind Long Chus Ergüsse die logische Konsequenz daraus, die Bedeutung des biologischen Geschlechts zu negieren und zu behaupten, dass die einzige Ursache für die Bildung der Geschlechtsidentität gesellschaftlich vorgegebene Geschlechterrollen seien. Stereotype Geschlechterrollen werden auf diese Weise verewigt. Die zweite Natur, die gesellschaftliche Prägung des Individuums, wird Long Chu und Co. so zur ersten, zur unhintergehbaren tierhaften Natur. Das gern angeführte Argument, dass ja nicht alle Transfrauen übergriffig, sexistisch und frauenverachtend wären und man sie nicht wegen ein paar schwarzer Schafe vorverurteilen könne, ist im Prinzip nur die woke Variante der antifeministischen Erzählung von „not all men“.
Zu den als „Errungenschaften“ des Queerfeminismus‘ gefeierten Erfolgen gehört es, den Begriff der Transsexualität – der früher nur Personen meinte, die geschlechtsumwandelnde Operationen haben vornehmen lassen oder diese anstreben – auf alle auszuweiten, die sich so fühlen, als gehörten sie dem anderen Geschlecht an. Daraus resultierend wird ein Recht auf Self-ID und ein damit verbundener Zugang zu Frauenschutzräumen und -rechten auch für Personen gefordert, die wie Karren White noch keine geschlechtsumwandelnden Operationen haben vornehmen lassen oder niemals vornehmen lassen wollen. Kurzgesagt kann sich jeder Mann, wenn man dieser Forderung Folge leisten würde, einfach zur Frau umdefinieren, um sich den Zugang zu Frauenhäusern, Quotenplätzen und -posten und Frauenwettkämpfen zu erschleichen. Jedes rechtliche und politische Instrument, das erdacht wurde, um die Gleichstellung von Frauen zu sichern oder erst zu ermöglichen, wird damit faktisch wertlos. Ein Aktivismus, der unermüdlich daran arbeitet, ein Recht auf Self-ID zur gesellschaftlichen Realität werden zu lassen, arbeitet nicht nur an der Auslöschung des Begriffs Frau. Er kann deshalb auch nicht für sich reklamieren, feministisch zu sein.
Queerfeministische Konversionstherapie
Welche Auswirkungen die Ausweitung und Aufweichung des Begriffs Frau haben kann, zeigt die queerfeministische bzw. transaktivistische Forderung nach einem Ende des sogenannten cotten beziehungsweise boxer ceiling in der Schwulen- und Lesbenszene. Der Terminus spielt auf den Begriff der Gläsernen Decke (engl. glass ceiling) an, mit dem die Schwierigkeiten für Angehörige bestimmter Bevölkerungsgruppen – darunter vor allem Frauen – beschrieben und kritisiert werden sollen, in höhere gesellschaftliche Positionen aufzusteigen. Daran anknüpfend, bezieht sich der Begriff cotton ceiling (dt. Baumwolldecke, in Anspielung auf den Stoff von Unterhosen) auf das Phänomen, dass lesbische und bisexuelle Frauen nicht bereit sind, sexuelle Beziehungen mit Transfrauen einzugehen und denunziert dies als „transphob“.(12)
Als transfeindlich wird die sexuelle Ablehnung deshalb gebrandmarkt, weil Transfrauen nach den Vorstellungen der Aktivisten, unabhängig davon, ob sie geschlechtsumwandelnde Operationen haben vornehmen lassen, Frauen sein sollen. Das geht so weit, dass Queerfeministen und Transrechtsaktivisten behaupten, der Penis einer Transfrau sei ein weibliches Organ, weil sie ja eine Frau sei und folglich auch ihr Körper weiblich sein müsse.(13) Da der Penis durch einen performativen Sprechakt zu einem weiblichen Organ umdefiniert werden kann, dürfe man diesen „Ladypenis“ auch nicht aus dem potentiellen Dating-Pool ausschließen.
Auf diese Weise verkommt das Begehren, welches immer – wie jeder weiß, der schon mal begehrt hat – auch auf körperliche Merkmale gerichtet ist und im Falle von Lesben und Schwulen eben ausschließlich auf Personen des gleichen Geschlechts weist, nach der queerfeministischen Theorie zu einer Genitalpräferenz oder wird sogar zu einem Fetisch degradiert. Das Gerede von Genitalpräferenzen suggeriert eine Freiwilligkeit und Entscheidungsfähigkeit, die im Falle von Homosexualität einfach nicht gegeben ist. Es war eine große Errungenschaft der Lesben- und Schwulenbewegung, durchzusetzen, dass Homosexuelle sich ihre sexuelle Orientierung eben nicht aussuchen können und eben nicht pervers sind, wie es das Wort vom Fetisch suggeriert.(14)
Schwulen, Lesben und Bisexuellen zu unterstellen, dass sie sich ihr Begehren aussuchen könnten und dafür nur ihren Vagina- oder Penisfetisch über Bord werfen müssten, ist ein extrem homophobes Ressentiment. Lesben und Schwule sollen sich nach dieser Denkweise ihres Lustempfindens schämen und für ihre angebliche Perversion rechtfertigen, denn schließlich gehen die Verfechter des Konzepts des cotton und boxer ceiling davon aus, dass das auf einen Körper gerichtete Begehren auf „cisnormative“ Denkmuster zurückzuführen sei, die nur umgedacht werden müssten. Nach queerfeministischer Vorstellung könnten sie sich wieder dafür entscheiden, Penisse oder Vaginas sexuell anziehend zu finden, wenn sie sich nur genug anstrengen. Das alles klingt auffällig nach Konversionstherapie. Der Queerfeminismus stellt in dieser Hinsicht also keine radikale neue Forderung dar, sondern vertritt nur die gleichen homofeindlichen Denkmuster, derentwegen sich eine Schwulen- und Lesbenbewegung überhaupt erst formen musste.
Intersektionalistischer Verdrängungswettbewerb
Doch warum stellen Vertreter einer politischen Ideologie, die den Feminismus im Namen trägt, derart rücksichtslos die Belange von Transpersonen über die von Frauen, Lesben und Schwulen? Eine Transperson wird der intersektionalistischen Theorie zufolge nicht nur als transsexuelle Person diskriminiert, sondern darüber hinaus zum Beispiel auch als lesbisch, schwul oder weiblich. Aus dem Zusammenspiel dieser verschiedenen Diskriminierungsformen entsteht aus queeraktivistischer Sicht eine ganz neue, eigene Form der Diskriminierung. Dieser Sicht folgend würden Transfrauen gleich mehrfach diskriminiert, während Frauen, Lesben oder Schwule privilegiert seien.(15) Das vermeintliche Privileg entsteht durch ihr sogenanntes Cis-Sein, durch den Umstand also, dass sie selbst keine Transpersonen sind. Privileg meint hier eine privilegierte Position im Machtdiskurs, also einen Sprechort in eben diesem und die angeblich damit verbundene Macht, durch Sprechakte zu bestimmen, was als wahr und sagbar gilt und so auch die Realität zu formen.
Das Vorhandensein dieses vermeintlichen Privilegs gilt dem Queerfeminismus schon als Gewaltakt an sich. Als Gegenmittel gegen die aus ihm resultierende Diskriminierung beschwört er eine Definitionsmacht, die ausschließlich betroffenen Personen zugestanden wird. Ihr zufolge kann jede Transperson für sich frei bestimmen, was transphob ist. Auf objektive Wahrheiten kommt es nicht mehr an. So wird es schon als Gewalt wahrgenommen, wenn Frauen über die eigene Menstruation als eine genuin weibliche Erfahrung sprechen, weil dadurch das Frausein mit dem Menstruieren verknüpft wird und auf diese Weise Transfrauen ausgeschlossen würden. Bereits die Aussage, dass ein Penis eben kein weibliches Genital ist, wird als ein Angriff auf die eigene Existenz wahrgenommen. So wird es auf einmal als Privileg verklärt, eine Vagina zu besitzen, zu menstruieren oder schwanger werden zu können. Sogenannte „Cisfrauen“ sind demnach aufgrund ihrer biologischen Merkmale, die seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte der Quell für sexistische Stereotypisierung und Gewalt sind, privilegiert. Dass selbst die Diskriminierung und die Strapazen, die mit dem Frausein und der weiblichen Sozialisation einhergehen, plötzlich als Privileg gelten, bringt die queeraktivistische Missachtung für weibliche Anliegen und feministische Errungenschaften auf den Punkt. Durch die längere Geschichte des Emanzipationskampfes von Frauen, Lesben und Schwulen und den vermeintlich erreichten Vorsprung werden Frauen, Lesben und Schwule den durch die Doktrin des vom Intersektionalismus ausgerufenen Diskriminierungswettbewerbs immer verlieren.
Das offen zutage liegende Unwesen des Transaktivismus ist dabei nur eine Facette der postmodernen Ideologie. Die Queer-Theorie, die den Aktivisten die Stichworte liefert und dabei in der Praxis das hier aufgezeigte produziert, ist nicht der Schlüssel zur progressiven Aufhebung von Geschlechterrollen, sondern reproduziert und tradiert sie noch weiter. Geschäftiges, praktisches Handeln hat in transaktivistischen Kreisen einen höheren Stellenwert als die theoretische Auseinandersetzung. Frei nach dem Motto: „Hauptsache es geschieht und ändert sich etwas“ wird ohne Rücksicht auf mögliche Verluste und etwaige Konsequenzen vorgegangen. Am Werk ist ein gesellschaftlicher, gekränkter Narzissmus, der sagt: „Die Welt ist verrückt, aber mit mir ist alles in Ordnung.“ Er macht es unmöglich, die einfache Wahrheit auszusprechen: Wer glaubt „im falschen Körper“ geboren worden zu sein, der leidet an einer psychischen Störung, gegen deren Stigmatisierung, auch und vor allem durch jene, die glauben den Betroffenen etwas Gutes zu tun, gekämpft werden muss.(16)
Pia Titze
Anmerkungen:
1. Der lateinische Begriff „cis“ (dt. diesseits) wird von den Aktivisten in Abgrenzung zum Begriff „trans“ (dt. jenseits) für Personen benutzt, deren empfundenes Geschlecht mit ihrem Geburtsgeschlecht übereinstimmt.
2. Zum folgenden vgl. Nazia Parveen: Karen White. How ‘manipulative’ transgender inmate attacked again, in: Onlineausgabe von The Guardian vom 17. Januar 2019, URL: https://www.theguardian.com/society/2018/oct/11/karen-white-how-manipulative-and-controlling-offender-attacked-again-transgender-prison, zuletzt eingesehen am 2. Februar 2022.
3. Vgl. hierzu die Onlineausgabe der Gefangenenzeitschrift Inside Time vom 1. Dezember 2016, URL: https://insidetime.org/the-care-and-management-of-transgender-prisoners/, zuletzt eingesehen am 4. Februar 2022.
4. Vgl. hierzu Transgender women exhibit a male-type pattern of criminality. Implications for legislators and policy makers auf der Homepage der Frauenrechtsgruppe Fair Play for Women vom 13. Januar 2021, URL: https://fairplayforwomen.com/transgender-male-criminality-sex-offences/, zuletzt eingesehen am 3. Februar 2022.
5. Die Abkürzung TERF steht für „Trans-Exclusionary Radical Feminism“ oder „Feminist“ (zu dt. Trans-ausschließende(r) radikale(r) Feministin oder Feminismus) und wird von Genderaktivisten als Denunziationsbegriff verwendet, um Feministinnen, die die Rolle der Biologie in Geschlechterfragen betonen, Transfeindlichkeit zu unterstellen.
6. Vgl. hierzu Transgender MMA Fighter Who Broke Female Opponent’s Skull. Are We Getting Too ‘Politically Correct’ With Reality?, in: Homepage von BJJ Eastern Europe vom 26. Januar 2019, URL: https://www.bjjee.com/articles/transgender-mma-fighter-who-broke-female-opponents-skull-are-we-getting-too-politically-correct-with-reality/, zuletzt eingesehen am 4. Februar 2022.
7. Zit. nach Phillipe Witzmann: Dreams are my reality. Tyrannei der ersten Person. Queere Psychoanalyse als postmoderne Transsubstantiationslehre, in: Bahamas 84 (2020), S. 12.
8. Andrea Long Chu: Females. A Concern, London 2019, S. 59.
9. Vgl. ebd., S. 60.
10. Dies.: On Liking Women, in: n+1 30 (2018), URL: https://www.nplusonemag.com/issue-30/essays/on-liking-women/, zuletzt eingesehen am 3. Februar 2022.
11. Vgl. Marissa Lorusso: In ‘Females’ The State Is Less A Biological Condition Than An Existential One, in: Homepage des Nation Public Radio vom 30. Oktober 2019, URL: https://www.npr.org/2019/10/30/774365692/in-females-the-state-is-less-a-biological-condition-than-an-existential-one?t=1638458153358, zuletzt eingesehen am 4. Februar 2022.
12. Der Begriff des boxer ceiling bezeichnet ein ähnliches Phänomen, allerdings bezogen auf Transmänner und Schwule.
13. Vgl. Miranda Yardley: Girl Dick, the Cotton Ceiling and the Cultural War on Lesbians and Women, in: Medium vom 09. Dezember 2018, URL: https://medium.com/@mirandayardley/girl-dick-the-cotton-ceiling-and-the-cultural-war-on-lesbians-and-women-c323b4789368, zuletzt eingesehen am 4. Februar 2022.
14. Vgl. hierzu und zum Folgenden Caroline Lowbridge: “We’re being pressured into sex by some trans women”, in: BBC News vom 26. Oktober 2021, URL: https://www.bbc.com/news/uk-england-57853385, zuletzt eingesehen am 3. Februar 2022.
15. Vgl. Carolin Küppers: Intersektionalität, 2014, in: Gender Glossar, URL: https://gender-glossar.de/i/item/25-intersektionalitaet, zuletzt eingesehen am 2. Februar 2022.
16. Die herbeigewünschte Entpathologisierung mag zunächst nett und wünschenswert erscheinen, zöge allerdings die von Transrechtsaktivisten immer wieder ignorierte Konsequenz nach sich, dass eine therapeutische und ärztliche Behandlung von an Geschlechtsdysphorie leidenden Patienten – und damit auch die von Transrechtsaktivisten als Allheilmittel propagierten geschlechtsumwandelnden Maßnahmen – nicht mehr von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden müssten.
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