Nachdem Donald Trump am 6. Dezember des vergangenen Jahres angekündigt hatte, die amerikanische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, folgte innerhalb kürzester Zeit vor allem in Europa die obligatorische Welle antisemitischer Zusammenrottungen. In Göteborg wurde eine Synagoge mit Molotowcocktails angegriffen, und in Berlin verbrannte der Mob selbstgemalte Israelfahnen. Da alle Dinge eine Weile brauchen, bis sie in Halle ankommen, dauerte es bis zum 16. Dezember, dass sich auch hier eine Schar von etwa 40 Hobbypalästinensern am Steintor zusammenfand. Da es sich bei den Demonstrationsteilnehmern mehrheitlich um Migranten aus Syrien handelte, wütete die Menge überwiegend auf Arabisch gegen den Judenstaat. Die wenigen deutschsprachigen Demobeiträge bewegten sich zwischen abstrusen Horrormärchen (»Israelische Polizeihunde fressen unsere Kinder!«) und wenig versteckten Mordphantasien (»Das kleinste Kind von uns will euch töten!«). Angestachelt wurden die Kundgebungsteilnehmer nicht nur vom Gedanken daran, dass Jerusalems Altstadt auf absehbare Zeit nicht wieder so judenrein werden wird wie vor dem Sechs-Tage-Krieg. Als erreichbares Feindbild vor Ort dienten auch etwa 20 Gegendemonstranten, die aufgrund der mitgebrachten Israelfahnen als Reinkarnation des Bösen betrachtet wurden.
Die Funktion des deutschsprachigen Stimmungsmachers übernahm im Wesentlichen die aus der Nähe von Damaskus stammende Razan Afifi, die gemeinsam mit ihren Schwestern Jehan und Safa maßgeblich für die Organisation der Demonstration verantwortlich war. Jehan Afifi hatte auch die Facebook-Veranstaltung zur Kundgebung erstellt. Die drei hatten ihre Kinder mitgebracht und missbrauchten ihre Schützlinge im Kleinkindalter mehrfach dazu, judenfeindliche Parolen ins Mikrophon zu kreischen. Darüber hinaus brachte Razan Afifi ihre vermeintliche Herkunft als moralisches Grundkapital ins Spiel, indem sie sich als palästinensischer Flüchtling ausgab. Das heißt natürlich nicht, dass sie jemals in Palästina gelebt hat. Das trifft noch nicht einmal auf ihre Eltern zu. Da aber ihre Großmutter aus der Gegend kommt, jammerte Afifi, sie wolle ebenso nach Palästina »zurückkehren« wie ihr Sohn, der nicht im Nahen Osten sondern im Osten von Deutschland geboren wurde. Um der Welt zu zeigen, wie ernst ihr die Sache ist, will Afifi den Schlüssel zum großmütterlichen Haus, das sicher schon längst nicht mehr steht, nicht dem Schrotthändler übergeben, sondern ihren Kindern vererben. Die Tobsucht dieser Frau kann nicht mit einem Verweis auf das Schicksal vieler Migranten verklärt werden, die dazu verdammt sind, am Rande der Gesellschaft vor sich hin zu vegetieren. Stattdessen bewegt sie sich in deren zeitgemäßer Mitte. Afifi ist vor zehn Jahren der Liebe wegen nach Halle gezogen, um hier mit ihrem Mann zu leben, den sie in Kairo kennenlernte und mit dem sie inzwischen drei Kinder hat. Sie selbst versucht sich als Künstlerin, während ihr Partner im akademischen Betrieb beschäftigt ist. Zusammen mit den beiden Schwestern ist das Paar tief in der hallischen Zivilgesellschaft im Bereich der Flüchtlingshilfe verankert. Es ist unter anderem auf den Bekanntheitsgrad der Familie bei den hallischen Gegen-Rechts-Aktivisten zurückzuführen, dass sich zunächst kaum jemand für die krassen antisemitischen Ausfälle zu interessieren schien – hinter vorgehaltener Hand sicherte man den Afifis eher Unterstützung zu. Keiner ihrer Freunde wollte sie auch nur annähernd nach den gleichen Maßstäben beurteilen, die man angelegt hätte, wenn auf der Kundgebung etwa ein Götz Kubitschek vor das Mikrofon getreten wäre.
Vor diesem Hintergrund wandte sich die neugegründete Initiative gegen antisemitische Propaganda mit einem Offenen Brief an Matthias Brenner, den Intendanten des Neuen Theaters in Halle. An dessen Haus wurde Fassbinders »Angst essen Seele auf« als Integrationsstück inszeniert, für das man als originäre Vertreter des Migrantentums Razan und Safa Afifi mit ihren musikalischen Projekten auf die Bühne holte, um das hallische Kulturvolk mit folkloristischen Gesangs- und Tanzeinlagen zu erheitern. Brenner war von der Aufmerksamkeit gar nicht begeistert. Da hallische Antirassisten ihre exotischen Maskottchen ohnehin nicht für voll nehmen und niemand sich von deren Macken sein selbstgerechtes Engagement madig machen lassen will, sprangen deshalb in entmündigender Manier zunächst Brenner und der Ehemann von Afifi in die Bresche, um die Frau in Schutz zu nehmen. Brenner bekannte sich zwar offen als Freund des Engagements gegen Antisemitismus. Wenn es um Israel geht, scheint er sich im Wesentlichen jedoch mit den Afifis darin einig zu sein, dass dort nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Nur die Form der Kritik passt nicht so ganz zum verantwortungsvollen, deutschen Umgang mit dem Holocaust. Dementsprechend hatte Brenner kein grundsätzliches Problem mit der israelfeindlichen Demonstration, lediglich »das Verhalten einiger Demonstranten« war für ihn »nicht tolerierbar«.
Und so setzte Brenner alles daran, mit dem Handwerkszeug eines Schauspielintendanten (hinhaltendes Phrasengedresche, Larmoyanz und Einladungen zum Runden Tisch) Gras über die Sache wachsen zu lassen. Aufgrund der medialen Aufmerksamkeit führte jedoch kein Weg an der öffentlichen Reinwaschung der rasenden Afifi vorbei. Sie entschuldigte sich medienwirksam bei Max Privorozki, dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Halle. Vor der Presse wiederholte sie, was man ihr zuvor eingebläut hatte. »Ich bin keine Antisemitin«, erklärte sie und zog zu ihrer Verteidigung den Umstand heran, dass sie beim Anblick eines Davidsterns rot sähe: »Ich habe mich von meinen Emotionen leiten lassen und mein Denken war abgeschaltet.« Stellvertretend für die hallische Zivilgesellschaft akzeptierte Brenner die Dreistigkeit, um endlich wieder in Ruhe »gemeinsam für ein menschenwürdiges Zusammenleben eintreten« zu können – für eine Gesellschaft also, die auch in Zukunft nicht zuhören wird, wenn jemand wie Max Privorozki auf die wachsende Gefahr des islamischen Antisemitismus hinweist.
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