Von seinem Frisör braucht man keine Reisetipps. Vom Hausmeister benötigt man keine Musikempfehlung. Und vom Postboten bei der Paketübergabe an der Wohnungstür keine Einrichtungshinweise. Wenn aber ein regionales Umzugsunternehmen einen Buchtipp in Form von Plakaten aushängt, muss man sich schon wundern, was heutige Unternehmer für Marketingstrategien entwickeln. Im Juni wurden in Halle mehrere Plakate des Umzugsunternehmen Ebert angebracht, auf denen das Buch Umvolkung. Wie die Deutschen still und leise ausgetauscht werden des in rechten Kreisen beliebten Autors Akif Pirinçci zur Lektüre empfohlen wurde. Abgesehen davon, dass ein Unternehmen, das von Mobilität und Umzug lebt, ausgerechnet gegen »Umvolkung« agitiert, ist ein Buchtipp doch ein äußerst seltsames Mittel für das Bewerben der eigenen Firma. Zum Stadtgespräch schaffte es die Aktion allerdings allemal. Die Mitteldeutsche Zeitung machte auf Antifaschistisches Infoblatt und recherchierte, dass Firmenchef Sven Ebert mit Jürgen Elsässer befreundet sei und diverse Naziveranstaltungen (Legida, Identitäre Bewegung, NPD) besucht habe. Ebert seinerseits reagierte daraufhin so, wie man das gemeinhin tut, wenn man zu Recht in die rechte Ecke gestellt wird: Er zeigte sich »erschüttert«, fühlte sich »Denunziationstaktiken« aus der DDR-Zeit ausgesetzt und betonte auf seiner Facebookseite, dass er seit seiner Jugend »bekennender Antifaschist und Antirassist« sei. Er sehe sich aufgrund seiner jahrelangen Mitgliedschaft bei den Grünen als »waschechten Urgrünen«. Warum ausgerechnet die Selbstbezeichnung (oder eher Selbstbeleidigung) »Urgrüner« ein Beweis dafür sein soll, kein Volltrottel zu sein, bleibt Eberts Geheimnis. Weiter plauderte Ebert aus, dass er jahrelang gegen Nazis aktiv gewesen sei und sogar das Aussteigerprogramm von Miteinander e.V., das es übrigens nie gab, gönnerhaft finanziert habe. Zudem bezeichnete er Aktionen gegen AfD und Co. als Nazimethoden und warnte vor derartiger Intoleranz, weil diese »unsere Gesellschaft von innen« zerfressen würde. Um seinen Antifaschismus unter Beweis zu stellen, organisierte er Ende Oktober eine Autorenlesung, bei der auch Pirinçcis Verleger Götz Kubitschek, Vordenker der Identitären Bewegung und Mitbegründer des neurechten Instituts für Staatspolitik, das Wort ergriff.
Während die Parteiprominenz gegen die Plakataktion wetterte und das Dormero-Hotel aufgrund öffentlichen Drucks die für die Lesung zugesagten Räumlichkeiten aufkündigte, dürfte der Buchtipp dem Umzugsunternehmen kaum schaden. In Halle scheint es nicht unerhebliche Teile der Bevölkerung zu geben, die ebenfalls Angst davor haben, dass die »Deutschen still und leise ausgetauscht werden«. Ob diese Teile aber finanzkräftig genug sind, für einen Umzug ein Unternehmen anzuheuern, wird sich zeigen. Wir wünschen Ebert auf jeden Fall eine Umvolkung, für die er möglichst keine Aufträge abgreifen kann.
Umvolkung sells?
9. Dezember 2016 von bonjour tristesse
[…] mit der Verleihung eines „mit 3000€ dotierten Bürgerrechtspreises“ an die IB, oder als Gastgeber für eine Lesung zur „Umvolkung“, auf der auch Götz Kubitschek auftrat. Über die Ermittlungen wegen schwerer Körperverletzung von Studenten bei der Harzmensa feixen die […]