Anfang und Mitte der 90er Jahre war Baier eine zentrale Figur der ostdeutschen Antifaszene. In der PDS und vor allem deren Jugendorganisation, der AG Junge Genossen, gab es seit der Wende etliche Aktivisten mit regen Kontakten zur Antifa. Baier war einer der rührigsten, fehlte auf keine Demo, fungierte oft als Anmelder der meist spontanen Aktionen und auch größeren Demonstrationen. Ein ideologischer Spagat war dazu Anfang der 90er noch nicht nötig. Der Antifaschismus und Antiimperialismus der autonomen Gruppen harmonierte hervorragend mit jenem der PDS. Das Problem war vielmehr kultureller Art. Vielen Genossen war das subkulturelle Milieu, in dem sich die Antifa fast ausschließlich bewegte, suspekt und damit auch Leute wie Frank Baier. Dass er zudem bekennender Schwuler war – in den 90ern noch nicht so selbstverständlich wie heute – und auch hier kein Blatt vor den Mund nahm, wenn z.B. – heute unvorstellbar – die Hallenser Polizei mit Razzien und anderen Schikanen die örtliche Schwulenszene drangsalierte, machte ihn in der eigenen Partei auch nicht unbedingt beliebter. Für die Antifa war er in doppelter Hinsicht wichtig: Im Gegensatz zu den Politikdarstellern der autonomen Gruppen brachte er Erfahrung und eine gewisse Kaltschnäuzigkeit gegenüber Polizei und Behörden mit – wichtiges Rüstzeug in einer Zeit, in der der Antifa noch mit echten Repressalien begegnet wurde. Zudem stellte er ein wichtiges Bindeglied zur PDS dar und damit zur damals sehr beliebten Bündnispolitik. Im Gegensatz zu den Emporkömmlingen, die heute in der Linkspartei oder den zahlreichen zivilgesellschaftlichen Vereinen den Ton angeben und in den 90er Jahren ihre Karrieren in den Kreisverbänden der PDS und der Antifa starteten, war Baiers Engagement jedoch durch die Abwesenheit von Kalkül und Selbstverleugnung gekennzeichnet. Er befand sich damit vielmehr in der Tradition der ostdeutschen Bürgerbewegung, der bei aller Larmoyanz, Selbstüberschätzung und Pfaffenhaftigkeit zumindest ein gewisses Maß an Aufrichtigkeit attestiert werden kann. Und wie viele Mitglieder der ostdeutschen Bürgerbewegung, die außer einem naiven Idealismus und der Wahnvorstellung, die sogenannte „Wende“ eingeleitet zu haben, nicht viel mehr vorzuweisen hatten, wurde er im „neuen Deutschland“ zunehmend zum Fremdkörper. Für eine Parteikarriere fehlte ihm die Abgebrühtheit, die sich viele seiner Altersgenossen in der PDS raufgeschafft hatten. Er war zweifellos Angehöriger einer Generation, die die Folgen der friedlichen Revolution nicht verkraftet hatten, die man mithin als Wendeverlierer bezeichnen kann und deren ostdeutsche Verortung sie davor bewahrte, von Matthias Horx (dem Sascha Lobo der 90er) einen Namen verpasst zu bekommen.
Mit der sogenannten antideutschen Wende spätestens ab Mitte der 90er Jahre konnte Baier schon nichts mehr anfangen, nicht ganz zufällig begann in dieser Zeit sein Rückzug aus dem Antifa-Milieu. Er gerierte sich nicht als ausgewiesener Feind der Antideutschen, seine Verbitterung und sein Unverständnis spürte man jedoch deutlich. Als Refugium blieb ihm seine Partei, der er nach wie vor fremd blieb, in der er aber bis zu seinem Tod sich engagierte.
NACHRUF AUF FRANK BAIER
9. Dezember 2016 von bonjour tristesse
Rest in Peace
Mein lieber Cousin Frank. Wir werden Dich immer sehr vermissen! Martin