Zu einem abendlichen Salongespräch hat im März dieses Jahres die Karrieregefolgschaft Queer Einsteigen Halle der Heinrich-Böll-Stiftung geladen, um über »Lügen, Liebe, Freiheit und über mehr Vielfalt, Mut und Glitzer in Zeiten des Kapitalismus [zu] sprechen«. Stargast des Abends war die BDS-Aktivistin Laurie Penny (Boycott, Divestment and Sanctions against Israel). Bereits im Vorfeld wurden die Veranstalter auf Pennys politisches Engagement in der BDS-Kampagne Artists for Palestine UK hingewiesen, doch sie hielten einen diskursiven Austausch für ansehnlicher als die Veranstaltung kurzfristig abzusagen. Einige hundert neugierig Interessierte kamen der Einladung zum freudigen Palaver über ihr neustes Buch Unspeakable Things: Sex, Lies and Revolution nach. Während ihrer Reise durch die deutsche Podienlandschaft hatte Penny in einem offenen Anbiederungsbrief an die deutsche Linke deutlich gemacht, dass sie das »Recht von Menschen verteidige, israelische Produkte und Dienstleistungen aus Protest gegen die andauernde Besetzung von Gaza und dem Westjordanland zu boykottieren«, was für sie »etwas sehr anderes als für einen Deutschen christlicher Abstammung bedeutet, denselben Boykott zu unterstützen.« Penny, die für die Linke aussprechen darf, was diese sich nicht erlauben kann, bezeichnet sich – ganz im Sinne der Nürnberger Rassegesetze – als Halbjüdin, womit sie glaubt gegen antisemitischen Wahn immun zu sein. Doch Penny ist nicht die verfolgte Unschuld, sondern wirkt aktiv mit am antisemitischen Propagandafeldzug gegen Israel. Bereits im Sommer 2014 hatte sie einen Artikel im New Statesman unter dem Titel As Israel’s assault intensifies, it is not anti-Semitic to say: not in my name veröffentlicht. In völliger Verkennung des politischen Dschihadismus behauptet sie, die Juden seien selbst Schuld am Terror, der ihnen widerfährt. Den israelischen Staat bezichtigt sie, von blutrünstiger Mordlust getrieben zu sein, die ein unersättliches Gefühl der Sicherheit stillen solle, wohingegen der arabische Antisemitismus keine reale Gefahr sei. Ihr ist jedes Mittel zur Delegitimierung Israels recht, in dem sie den Grund allen Übels sieht. Ungeachtet der Tatsache, dass die Wirtschaftsboykotte der BDS-Kampagnen nicht den Bewohnern im seit 2005 nicht mehr besetzten Gazastreifen zugutekommen, sondern ihnen vielmehr schaden, fällt sie noch all jenen in den Rücken, die sich bessere Lebensverhältnisse wünschen. Dabei verwundert es nicht, dass sie von der Heinrich-Böll-Stiftung hofiert wird, subventioniert diese doch NGO-Projekte wie Miftah, die die antisemitische Ritualmordlegende zur Dämonisierung des jüdischen Staats reaktivieren, die Kennzeichnungspflicht für israelische Waren fordern, zum Boykott derselben aufrufen und im Schulterschluss mit den Feinden Israels eine Politik offenbaren, die mitnichten zur Stabilisierung der politischen Lage im Nahen Osten beiträgt. Mit Penny setzten sich die Queereinsteiger das gute Gewissen des Popfeminismus auf die Bühne und wehrten jegliche Kritik als sexistisch, da angeblich männlich, ab. Derart autoritär gesonnen griff das unkritische Einverständnis in larmoyanter Feindseligkeit um sich und erfasste auch das widerspruchsfreie Salonpublikum, für das der Abend zu einem unterhaltsamen Spektakel wurde – nicht zuletzt dank der Störer des verqueeren Hassfriedens. Diese wurden schlussendlich von der Staatsmacht abgeführt, auf dass man der friedfertigen Antisemitin weiter lauschen konnte. Was für Penny ein gutes Geschäft war, kam den career fellowships der Heinrich-Böll-Stiftung gerade recht: Im bedingungslosen Willen, dem Salonabend etwas Positives abzugewinnen, postulierten sie die diskursive Offenheit des Podiums und verleugneten den ehrbaren Israelhass. Fraglich bleibt, was der Feminismus noch wert ist, um den es an diesem Abend gehen sollte. Ohne das kritikresistente Publikum, das erwartungsgemäß amüsiert werden wollte, wäre der Erfolg einer Laurie Penny jedenfalls nicht denkbar. Für die heiteren Gemüter dürfte ein köstlicher Kochabend mit Frauke Petry ähnlich unterhaltsam sein.
Kein Penny für Penny
9. Dezember 2016 von bonjour tristesse
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https://queereinsteigen.wordpress.com/2016/04/26/stellungnahme-zur-kritik-an-unserer-veranstaltung-mit-laurie-penny/#more-2790
Wo war der Widerspruch der sich selbst antifaschistisch und feministisch Aufführenden, die zuhauf im Publikum saßen und sensationslüstern mit den Füßen gescharrt haben, aber den Mut zur Kritik an der verlogenen Referentin nicht aufbrachten oder dazu schlich nicht imstande waren, ja selbst noch die Protestierenden des Sexismus und der Misogynie beschimpft haben? Immer mal wieder zeigt man sich politisch engagiert, und ist doch so kritikresistent.
Das Gepöbel fand ich sehr angemessen, dafür dass der Konsens des Salonpublikums darin bestand mit dieser Israelhasserin zu diskutieren. For what? Damit sie sich anschließend für einen gelungen Abend auf die Schultern klopfen können, und jeder mal verstohlen gekichert hat? Diese Deppen von Veranstaltern haben sich im Anschluss ja auch noch selbst bloßgestellt, als sie vorschlugen gerne auch mal eine Veranstaltung zu Israel machen zu können. Mit einem fehlenden Begriff vom Antisemitismus dürfte sich die HBS mit einer derartigen Veranstaltung erneut blamieren.
Ich war echt erschrocken, dass die den Scheiß nicht abgesagt sondern so verlogen durchgezogen haben. Auf welcher Grundlage soll man da noch diskutieren? Die HBS und deren Fans sind ein widerlicher Witz.
Empfehlenswerter Artikel:
Martin Stobbe darüber, dass die Verteidigung des Westens gegen seine Feinde und die Solidarität mit Israel untrennbar sind.
Beim linken Radio Corax in Halle bemerkt man zwar, dass es Proteste gegen Pennys antisemitische Statements gab, ist aber zu einer unmißverständlichen Positionierung unfähig. Stattdessen lässt man die dummdreiste Penny gewähren und findet sich gegenseitig ganz sympathisch. So kommen Linke, die keinen Begriff vom Antisemitismus haben zusammen.
Penny empfindt Halle lediglich als befremdlichen Ort (was wohl an der geäußerten Kritik an ihrem offenkundigen Israelhass liegt) und lügt dennoch konsequent über ihren Aktivismus für die BDS-Kampagne und ihr politisches Engagement gegen Israel. Selbstverleugnungen dieser Art bringen nur notorische Antisemiten fertig.
Doch damit nicht genug, die islamische Misogynie findet sie nicht so schlimm, kein Wunder – hat sie doch nicht die geringste Ahnung vom Charakter des politischen Islam. So muss sie die Kritik des islamischen Antisemitismus, der Frauenverachtung und Homophobie aus ihrem phantastischen Lügengebäude verdrängen. Soviel Erfahrungsresistenz und gegenaufklärerische Realitätsverweigerung bringen die Feinde Israels immernoch zustande und zu Würden bei einer staatlichen Stiftung.
Unten ist der Radio-Beitrag zu hören. Die Penny-Fans demonstrieren ihre blauäugige Kritikresistenz, unfähig aus der vorgebrachten Kritik die richtigen Schlüsse zu ziehen wird Schmonzes geschwafelt was das Zeug hält:
https://www.freie-radios.net/76010
Die Mitveranstalter von Queer-Einsteigen haben eine Stellungnahme zur Kritik an der Einladung Laurie Pennys veröffentlicht. Darin anerkennen sie den antisemitischen Charakter des anti-israelischen BDS-Aktivismus, der von Penny vertreten wird. Bezüglich des politischen Engagements der eigenen Gruppe gestehen sie ein:
„Zumindest ist uns bewusst geworden, dass wir uns innerhalb der Gruppe im Vorfeld Pennys auf Israel bezogene Äußerungen nicht genug diskutiert haben. Um das zu ändern, werden wir uns als Gruppe intern stärker mit Antisemitismus beschäftigen. Außerdem planen wir eine Veranstaltung zu Antisemitismuskritik im WiSe“ https://queereinsteigen.wordpress.com/2016/04/26/stellungnahme-zur-kritik-an-unserer-veranstaltung-mit-laurie-penny/
Eine Vortrags- und Diskussions-Verstaltung mit Merle Stöver zum Thema Feminismus und Antisemitismus soll im Sommersemester 2017 in Halle stattfinden.
In Berlin fand bereits eine ähnliche Veranstaltung statt, in der der Frage nachgegangen wurde, warum es so schwierig erscheint eine Kritik am Antisemitismus mit einem feministischen Anspruch zu verbinden:
Zwischen den Stühlen: Gegen Antisemitismus & für Feminismus – Ein Vortrag von Stöver & Eder (2017)
Ein lesenswerter Text zur Kritik des antisemitischen Pseudo-Feminismus wurde 2015 von der Gruppe Monolog veröffentlicht:
Neues vom ideologischen Feminismus