Jüngst jammerte Wolfgang Stockert in der örtlichen Zeitung rum, dass er in seinem Amt nicht die Bedeutung genieße, die er gerne hätte. Genauer sagte der Kanzler der örtlichen Kunsthochschule in einem Interview mit der Deutschen Presse Agentur, welches in der Mitteldeutschen Zeitung abgedruckt wurde, dass er eine »angemessene, überregionale Wahrnehmung« der Burg (Anm. der Redaktion: Rufname der örtlichen Kunsthochschule) vermisse: »Wir sind hier zwar in der Provinz. Das heißt aber nicht, dass wir auch provinziell arbeiten.« So wollen auch wir abermals unseren bescheidenen Beitrag leisten, damit sein Haus die Aufmerksamkeit erhält, die es verdient. Es wäre schon viel erreicht, wenn wenigstens in der Provinz die Wahrnehmung der Burg Giebichenstein eine angemessene Form annehmen würde.
Vor wenigen Wochen bot die Kunsthochschule eine Weiterbildung für das Lehrpersonal an, deren Kleinstadtkomplexe offensichtlich zunehmend zum Problem werden. Erklärtes Ziel des Seminars war es, »ein Verständnis für psychische Störungen zu vermitteln und den Umgang mit psychisch labilisierten Studenten zu erleichtern«. Bei den hohen Ansprüchen, die das Studium stellen würde – nicht etwa die Dozenten mit ihrer notorischen Geltungssucht –, kämen einige der Studenten an ihre psychischen Grenzen, was sich in »mangelnder Kreativität, fehlender Motivation und anderen Stresssymptomen« niederschlagen würde. Solch eine Aussage zeugt zwar nicht von richtiger Selbsteinsicht, aber immerhin erwähnt sie ein Problem, mit welchem die Burg eine Spitzenposition einnimmt. Es sind allerdings nicht alleine die hohen Ansprüche eines anspruchslosen Studiums, die haufenweise Depressionen und Frustrationen unter den Studenten produzieren, sondern die Großmannssucht unfähiger Professoren. Also Menschen, die in der Regel spätestens nach ihrem glücklichen Ruf an die Provinzschule nichts nennenswertes mehr geschaffen haben, hierfür jedoch die Studenten umso vehementer mit Forderungen und Urteilen konfrontieren, wobei ein dummes Urteil durch das nächste dumme Urteil abgelöst wird, bis das vorerst letzte allen vorangegangenen einschließlich sich selbst widerspricht. Menschen, die in der selbst eingeimpften Überzeugung, etwas Besseres als Halle (Saale) verdient zu haben, aber in der geheimgehaltenen Ahnung, nicht einmal hier den eingestrichenen Sold zu rechtfertigen, ständig über sich hinaus wachsen wollen. Da es aber für die Kunstakademien in Berlin und Leipzig nie reichen wird, wenn es schon in der Provinz kaum langt, so bleiben nur die Studenten und Schüler, um den eigenen Ruf zu begründen. Angesichts dieses Psychoterrors können sich Stockert und Burg nur glücklich schätzen, dass sie nicht mehr Aufmerksamkeit erhalten, als ihnen Ehre macht.
Für die Provinz, aus der Provinz
9. Dezember 2016 von bonjour tristesse
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