Mit Inkrafttreten des Genfer Abkommens zum Aufweichen der Sanktionen gegen den Iran im Januar dieses Jahres begann der große Run auf den geöffneten Markt. Seither versucht man auch in Sachsen-Anhalt alles, um sich an den Iran heranzuwanzen. Die Freunde der Islamischen Republik arrangierten deshalb gleich mehrere Treffen, um alte Beziehungen wiederzubeleben.
Unter anderem wurde Ende Mai gemeinsam mit Gleichgesinnten aus den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen eine viertägige Delegationsreise in den Iran organisiert. Daran beteiligten sich Vertreter aus Wirtschaft und Politik, die von einem Pressetross begleitet wurden. Die Unterdrückung von Frauen, Homosexuellen oder Oppositionellen hinderte sie an der Teilnahme ebenso wenig, wie die jahrelangen Drohungen, Israel auszuradieren, zu deren Umsetzung der Iran den Bau der Atombombe anstrebt. Dabei wissen die Organisatoren der Delegationsreise ganz gut, wie es im Iran zugeht. In der Einladung wurden mögliche Interessenten belehrt, dass man mit israelischem Einreisestempel kein Visum erhält. Außerdem wurde dazu aufgerufen, die »geltenden Gesetze und Regeln« der Frauenunterdrückung zu berücksichtigen. Um gar nicht erst den Eindruck entstehen zu lassen, man würde deren Zwangsunterwerfung nicht respektieren, sollten die weiblichen Delegierten in einer Broschüre, die an die iranischen Gastgeber verteilt wurde, mit Kopftuch abgebildet werden. Entsprechende Passbilder wurden in der Einladung eingefordert. Dass die Frauen der sachsen-anhaltischen Delegation dennoch unverhüllt abgedruckt wurden, ist weniger als Einwand gegen die Diskriminierung zu verstehen. Vielmehr wurden die Kopftuchbilder schlichtweg verschlampt: »Das ist kein Statement, sondern nur Zufall. Wir hatten auch Fotos mit Kopftuch produzieren lassen. Diese sind leider verloren gegangen.« betonte das Magdeburger Wirtschaftsministerium, um gegenüber der mitreisenden Konkurrenz nicht benachteiligt zu werden.
In Zeiten des großen Goldrausches sind Skrupel Luxusware – das gilt umso mehr für Bundesländer, die nur selten auf der Gewinnerseite stehen. Über Menschenrechtsverletzungen und Judenhass wird darum einfach hinweggesehen. Als im Juni 2016 die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU den iranischen Botschafter Ali Majedi einlud, um mit ihm über »frische Geschäfte« zu plaudern, erklärte ein Teilnehmer im Interview mit Radio Corax: »Ich kann sie [die Menschenrechtssituation im Iran] nicht beurteilen, ich kann sie nur in den Medien verfolgen.« Ein anderer Besucher gibt jedoch zu bedenken, dass es sich bei Berichten über Auspeitschungen oder den Holocaust-Karikaturen-Wettbewerb um »besondere BILD-mäßige Aufmacher« handle. Kritik sei darum nicht so gut, ergänzt ein Dritter, die wäre »so ein bisschen diskriminierend, so ein bisschen beleidigend«. Das bedeutet aber nicht, dass den Organisatoren die Situation im Iran vollkommen gleichgültig ist. In der Einladung zum Treffen mit Majedi wurde betont, die Stärkung der Wirtschaftsbeziehungen sei auch notwendig, »um die jetzige iranische Regierung zu stabilisieren.« Es ist kein Zufall, dass die Bewohner eines Landstrichs, wo Wessi-Bashing zum Kulturerbe gehört, ausgerechnet dem antiwestlichen Regime aus Teheran den Rücken stärken wollen. Die Interviewpartner bekräftigten ihrerseits das Anliegen und bedauerten noch im gleichen Atemzug die neuerlichen Sanktionen gegen Russland. Trotz aller Beschwichtigungsversuche stören auch die steigenden Hinrichtungszahlen seit Rohanis Machtantritt bei der Schwärmerei für den Iran wenig. Wer sich einmal in den Untiefen von Kommentarspalten oder Facebook verloren hat, der weiß, dass brutales Durchgreifen gegen Sünder aller Art auch hierzulande zahlreiche Fans besitzt.
Nicht nur die CDU ist vom Iran begeistert, sondern Mitglieder aller Fraktionen. Im August reiste die kommende Generation der grünen Parteispitze für drei Wochen in den Iran. Darunter befand sich Theresa Kalmer, ehemalige Vorstandssprecherin der Grünen Jugend Halle, die ihre Karriere als Sprecherin des Bundesverbandes fortsetzte. In ihrem Reisebericht stellte sie das Regime als nachvollziehbares Echo auf eine angebliche, westliche Kolonialgeschichte im Iran dar. Rohanis Hinrichtungsexzesse legitimierte sie mit politischer Notwendigkeit: »Die dennoch hohen Hinrichtungszahlen wurden uns so erklärt, dass er aufgrund seiner moderaten Politik innenpolitische Härte zeigen muss, um auch die Konservativen hinter sich zu bekommen.« Man kann nur hoffen, dass sich Kalmer niemals genötigt fühlen wird, Konservative zu beeindrucken. Im Laufe der weiteren Diskussion legte sie noch eine Schippe drauf, als sie bezüglich des Atomstreits erklärte: »Ich versuche nichts zu relativieren. Ich glaube nur, dass es nicht viel bringt, den Iran so darzustellen, wie ihr es immer tut und gleichzeitig Netanjahus Hardliner Rhetorik ignoriert.« Trotz der ungeschminkten Gleichsetzung iranischer Vernichtungsfantasien gegen Juden mit den Versuchen Israels, diesen Wunschträumen Einhalt zu gebieten, blieb eine Reaktion auch bei denjenigen sachsen-anhaltischen Parteigenossen aus, die sonst zu jeder Nazisprüherei eine Presseerklärung herausgeben. Das liegt wohl auch daran, dass damit die eigene Wählerschaft vergrault werden würde, die sich schließlich aus solchen ehrenamtlich Engagierten zusammensetzt, die ihrerseits für die Annäherung an den Iran werben.
Im Iran freut man sich unterdessen über das Engagement. Im August erwiderten iranische Vertreter das hiesige Interesse mit einem Besuch in Magdeburg, um die Beziehungen weiter zu vertiefen. Über eine engere Kooperation mit Sachsen-Anhalt wird bereits nachgedacht. Wenn das Land der Frühaufsteher zukünftig das Morgenland mit Material für den Bau der Bombe und andere Sauereien beliefert, bleibt nur zu wünschen, dass das Zeug sein Schicksal mit den Kopftuchbildern teilt.
Achse des Ostens
9. Dezember 2016 von bonjour tristesse
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