Wie ist es um linke Medien bestellt? Das fragte die Zeitschrift »Phase 2« in ihrer 40. Ausgabe. Die AG »No Tears for Krauts« machte die Probe aufs Exempel und bot dem Blatt unter Pseudonym einen im Vollrausch entstandenen Nonsens-Artikel an. Das Thema: das emanzipatorische und subversive Potential der Fernsehserie »Alf« und ihre Bezüge zur Genderperspektive. Wir dokumentieren den Artikel, der tatsächlich in der aktuellen Ausgabe der »Phase 2« erschienen ist, und eine Stellungnahme der AG »No Tears for Krauts«. Darin antwortet sie am Beispiel der »Phase 2« auf die Frage nach dem Zustand linker Medien.
»Gegen die Realität!«
Die Faselei der »Phase 2«
»Darum bemühen wir uns nun schon ein Jahrzehnt: mehr Kritik und Diskussion statt Wahrheitsverkündung und Repetition.« (Editorial, Phase 2/40)
Was macht eine Redaktion, wenn ihr nichts mehr zu der Zeitschrift einfällt, die sie herausgibt? Richtig: Sie besinnt sich auf einen journalistischen Evergreen und bittet andere Redaktionen und Gruppen darum, für das nächste Heft einen – »gern auch kritischen« – Beitrag über das eigene Blatt zu verfassen. Vielleicht haben ja andere eine Ahnung davon, was man selbst nicht mehr so genau weiß: warum man sich regelmäßig trifft, um eine illiterate Zeitschrift für Opportunisten zu produzieren? So handhabte es die »Taz« in ihrer Jubiläumsausgabe. So ist der »Spiegel« aus Anlass eines seiner unzähligen runden Geburtstage verfahren. Und so hat es jüngst auch die »Phase 2« versucht.
Das in Leipzig und Berlin produzierte Heft war 2001 als Fortsetzung der »Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation« (AA/BO) mit anderen Mitteln gegründet worden. Mit dem Blatt sollte die erste Phase, die Geschichte der AA/BO, abgehakt werden. In der zweiten Phase sollte, angetrieben durch die Zeitschrift, eine neue linksradikale Sammlungsbewegung entstehen. Sollte sich daran einmal der große Aufstand anschließen, ist sich die Redaktion inzwischen nicht mehr so sicher, was in Phase 3 passieren soll: Immer noch die Revolution? Der Einstieg in den akademischen Betrieb? Oder der Wechsel in die Medienbranche?
Aus Anlass ihres zehnjährigen Bestehens kündigte die »Phase 2« darum nicht nur an, sich in Ausgabe 40 schwerpunktmäßig mit der Geschichte und dem Zustand linker Medien zu beschäftigen. Sie bat zugleich andere Zeitschriften und Gruppen um ein »paar kritische Zeilen«: »Was ihr schon immer der Phase 2 sagen wolltet, wie ihr unsere Entwicklung beurteilt, wie seht ihr die Notwendigkeit für unsere Zeitung …« Dummerweise wollte keiner der Angefragten die Entwicklung des Heftes beurteilen. Niemand wollte der »Phase 2« »schon immer« etwas sagen. Und kein Schwein wollte auch nur einen Satz über die »Notwendigkeit« des Blattes verlieren: Zumindest erschien die Jubiläumsausgabe, anders als angekündigt, ohne Glückwünsche, Kritik und Kommentare anderer Zeitschriften und Gruppen.
Wir hatten darum Mitleid und entschieden uns, der »Phase 2« ein Geschenk zu machen. Angeregt durch hanebüchene Artikel über den »kritischen Gehalt von South Park« (Phase 2/39) oder den emanzipatorischen Charakter des Filmschaffens der Coen-Brüder (Phase 2/35) beschlossen wir, einer der beklopptesten Sitcoms aller Zeiten einen »emanzipatorischen und subversiven Charakter« anzudichten und darüber hinaus auch noch »Bezüge zur Genderperspektive« herzustellen: Paul Fuscos »Alf«. Der so entstandene Artikel sollte der »Phase 2« angeboten werden, um auf dieser empirischen Basis die von der Redaktion gestellte Frage nach dem Zustand linker Medien beantworten zu können. Wir besorgten uns einen Kasten Bier, assoziierten wild drauflos und schrieben einen Text, der zu mehr als 70 Prozent aus Fragwürdigkeiten, Lügen und Mumpitz besteht. Der Großteil der zitierten Literatur existiert nicht. Die Aussagen der Gewährsmänner, auf die wir uns beriefen – immer gut: Martin Scorsese, die Coen-Brüder, »Simpsons«-Macher Matt Groening usw. –, waren komplett erfunden. Und auch das Gros der historischen Fakten war erstunken und erlogen. Aufgepeppt wurde der Artikel mit Angebersprache (»hegemoniale symbolische Formen«, »Extraterritorialität«, »diffundieren« usw.), etlichen Fußnoten und ein wenig Name-Dropping: Den Theorien Siegfried Kracauers und Georg Simmels, auf die wir uns bezogen, musste zwar Gewalt angetan werden, um sie mit »Alf« zusammenzuklatschen. Da in »Phase 2« jedoch schon vorher z. B. der Versuch unternommen worden war, die Fernsehserie »South Park« im Sinn von Karl Marx zu deuten, waren wir überzeugt: Die Redaktion lässt sich weniger durch Vernunft, Logik und gute Argumente als durch große Namen beeindrucken. Am Ende präsentierten wir die Grundschulkinderserie »Alf« als subversives Emanzipationsstück, als kritischen Stachel im Fleisch des amerikanischen Kultur- und Politbetriebs sowie als herrschaftskritisches Meisterwerk, das selbst Geschlechteridentitäten dekonstruiert: Alf als Role-Model der Gender-Bewegung. Unter den Text setzten wir ein weibliches Pseudonym (»Julia Reiter«) und die Behauptung, dass die Autorin an der Universität Stanford eine Doktorarbeit schreibe. Durch solche Autoritätsnachweise – Karl Kacke promoviert an der FH Köthen über die medialen Geschlechtsbilder von Waldameisen – war in der Vergangenheit auch bei anderen »Phase-2«-Artikeln der größte Blödsinn ausgeglichen worden.
Anstatt in großes Gelächter auszubrechen und den Text zurückzuschicken, war die »Phase-2«-Redaktion erfreut über das Artikelangebot. Obwohl die Zeitschrift erst in der aktuellen Ausgabe eine Gegendarstellung drucken musste, weil eine ihrer Autorinnen ein Zitat erfunden hatte, wurde keine einzige Fußnote, kein einziges Zitat des »Alf«-Textes überprüft. Niemand störte sich daran, dass das Buch, auf das sich der Artikel zu 80 Prozent beruft (Paula Leverage: Theory of Mind and Literature. Vol. 2), überhaupt nicht existiert. Darüber hinaus fragte keiner der Politologen, Historiker oder Amerikanisten der Redaktion nach, was denn etwa – ein Beispiel von etwa 50 – der »Warden Act« sein soll, von dem »Julia Reiter« sprach: »Einige Bundesstaaten des Mittleren Westens führten den […] Warden Act ein, der die auch in den USA seit den 70er Jahren unerlässliche öffentliche Förderung von Theaterstücken und Ausstellungen an die diffuse Bedingung knüpfte, dass sie dem ›allgemeinen Geschmacksempfinden‹ der Moral Majority nicht zuwider laufen dürfen.« Auch wenn sie inzwischen gelernt hat, dass Antiamerikanismus pfui ist, traut die »Phase-2«-Redaktion den Amerikanern offensichtlich jeden Quatsch zu: insbesondere wenn sie aus dem Mittleren Westen kommen. Aber auch in anderer Hinsicht nahm die Redaktion den Untertitel ihre Blattes, »Zeitschrift gegen die Realität«, etwas zu ernst. Soll heißen: Selbst der offenkundigste Argumentationsquark – Alf stellt Geschlechterrollen und -bilder in Frage – wurde durchgewunken. (Nur eine Redakteurin fragte nach, ob ihre eigene Lieblingsserie »Roseanne« nicht noch emanzipatorischer-kritischer-feministischer als »Alf« sei.)
Vor diesem Hintergrund kann die Frage nach dem Zustand linker Medien am Beispiel der »Phase 2« wie folgt beantwortet werden: Linke Medien stehen mit Wahrheit und Vernunft auf Kriegsfuß. Sie werden von autoritären Haufen gestaltet, denen große Namen und der Verweis auf einen künftigen Doktortitel wichtiger als die Logik sind. Linke Medien sind zudem nicht nur der Ort, an dem private Vorlieben weltanschaulich aufgenordet werden können. Sie sind zugleich bereit, jeden Unsinn zu drucken, wenn er nur im richtigen Jargon verfasst ist.
Um zu diesem Urteil zu gelangen, wäre es zwar nicht unbedingt notwendig gewesen, sich in die Niederungen der Empirie zu begeben. Unsere Feldstudie dürfte aber zumindest dazu beitragen, auch die letzten Zweifel auszuräumen. Wir bedanken uns darum bei der »Phase 2« für die Beschleunigung unseres Erkenntnisprozesses und erwarten gespannt den Murks der nächsten Ausgaben. (Wie wäre es z.B. mit »Hulk und Foucault«, »Unsere Kleine Farm und die Aufhebung des Individuums in der Gesellschaft« oder »Soko Leipzig – Über die gescheiterte Demokratisierung«?) Alles Gute zum Geburtstag wünscht nachträglich die:
AG »No Tears for Krauts« Halle
[…] Nachtrag: Die Bonjour Tristesse zur Entsthehung des Textes […]
Man weiß wirklich nicht, was peinlicher ist: das Abdrucken eines Textes, den man schlecht findet und dessen „Quellen“ man nicht überprüft, oder die großen Mühen, die sich die „szenefixierten Provinzlinken“ um das Blättchen „Bonjour Tristesse“offenbar gemacht haben, um der „Phase Zwei“ kurz vor dem eigenen Ableben nochmal einen einzuschenken. Nach extrem kurzer Überlegung steht mein Urteil fest: die hallenser „Ideologiekritiker“ sind dann doch um einiges peinlicher als die Leipziger „Jungakademiker“. Nicht zuletzt, weil der Phase Zwo – trotz des aktuellen faux pas – in wohl jeder Ausgabe mehr lesenswerte Texte zu entnehmen sind als der hallenser Tristesse in allen Ausgaben zusammen.
lol. das eigene ego an der phase2 aufpeppeln. wenn man sonst keine anerkennung mehr findet…
Rofl, thumbs up! Selten so gelacht.
Grundsätzlich alles richtig was ihr schreibt.
Fraglich erscheint aber, ob es sich dabei wirklich um ein Phänomen „linker Medien“ handelt, oder aber ob es nicht viel mehr Ausdruck der fürchterlichen Zustände in Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaften ist, also genau den Disziplinen, in denen die zukünftige Phase2 Redakteur_in im universitären Betrieb landet.
Wo man lehrt, bei der Interpretation von Texten, Filmen und Musik möglichst offen zu sein und sich ja viel zu ‚trauen‘, ist es fast schon ein zwingender Schritt jeden Scheiß in jede Scheiße hineinzuinterpretieren.
Wie peinlich das alles der Phase2 sein muss, zeigt sich allein daran dass es hier einen Kampfposter gibt, der sowohl auf Facebook als auch auf allen ALF-bezogenen Artikeln hier, denselben Unsinn schreibt („Man weiß wirklich nicht, was peinlicher ist…“).
Eine Prognose für die Zukunft der Phase2 ist denkbar einfach: Die Redaktion wird jetzt vielleicht ein bisschen genauer die Fussnoten prüfen, schauen ob die Literatur wirklich existiert, aber weiterhin jeden inhaltlichen Unsinn durchwinken. Das Problem ist, dass diese Zeitschrift purer Selbstzweck ist – damit aber den Zustand der Linken insgesamt eigentlich ganz gut reflektiert. (Die Phase2 wurde aus einer inhaltlichen Krise der Linken heraus geboren. Jedoch half sie nicht dabei diese Krise zu klären, sondern nur sie hinauszuzögern)
Die Linke weiss nicht mehr genau wozu sie überhaupt da ist und verfällt deshalb ständig in Ersatzhandlungen: Demos die sich Selbstzweck sind, Diskussionsveranstaltungen die sich Selbstzweck sind, oder eben Zeitungen die sich Selbstzweck sind.
Der Schluss aus selbstzweckhafter linker Identität und dem Realitätssinn sich reproduzieren zu müssen (gepaart mit dem Glauben, dass das auf der Universität einfacher wäre oder zumindest den eigenen Interessen mehr entspräche) ist nur folgerichtig und deshalb stellen sich in diesem Umfeld alle schon von vornherein auf eine Universitätskarriere ein und eignen sich diesen grausigen und grausamen Jargon an. Das führt auch dazu dass dieses Herumgenörgel, wie schlimm nicht dies und das sei, in diesen Kreisen tatsächlich für Kritik gehalten wird.
Amüsant zudem, dass sich auf Seite 1 derselben Ausgabe, in der auch der ALF-Text abgedruckt wurde, bereits ein guter Beleg dafür findet, dass die Redaktion der Phase 2 gefälschte Zitate durchgehen lässt, sobald sie den gewünschten Inhalt stützen:
Oh, wie sehr wird die Welt diese linke Netzpostille vermissen, die ausschließlich dazu diente, ihren Autor*innen zu beweisen, wie toll sie selbst sind und wie scheiße alle anderen sind. Wenn ich mit meinen Freund*innen trinke, hab ich zum Glück was Besseres zu tun als dummzuschwätzen und mir pseudowissenschaftliche Fußnoten auszudenken…
Was haste denn Besseres zu tun? Artikel für die Phase gendern? Alf hat scheinbar auch dir einen intergalaktischen Schlag verpasst.
http://www.elsewhere.org/pomo/
der pomo text generator …. jedes neue mal öffnen ein weiterer text im pomo-jargon. mal davon abgesehen das es auf englisch ist könnte sich die phase 2 so gleich denn aufwand sparen entsprechende autoren zu finden.
Habt Ihr Euch schön einen auf Eure Aktion runtergeholt? Lächerlich. Wenn Euch keiner mehr steht, steht Euch Identität. Klopft Euch am besten noch ne Weile auf die eigene Schulter! Selten dämlich. Und jetzt noch so riesig aufblasen das Ganze.
Machen wir. Danke für den Tipp.
Danke AG „No Tears for Krauts“. Die dümmlichen Kommentare beweisen zudem recht eindrücklich, dass Vernunft und Logik keine Eigenschaften der „Linken“ sind.
By the way:
Ich frage mich, was ein Mensch gerade macht wenn er um 2:49 etwas vom „runterholen“ phantasiert. Gibt es eigentlich YouPorn für Linke?
Ist Onanie jetzt was verkehrtes?
Wir sind doch hier nicht im Genderseminar. Achtung, Triggerwarnung!
Onanie ist super. Aber vielleicht sollte man sich dabei weniger an der Phase 2 reiben.
Okay, irgendwie lustig isses ja. Zumindest die völlig nutzlose Anwendung des Wortes „rhizomatisch“ hat mich kurz zum Grinsen gebracht. Aber um hier mal ein schönes Bart-Simpson-Zitat abzuwandeln: „Pfff, PoMo-Verarsche… Das ist doch wie Fische aus ´nem Eimer fangen.“
[…] tun, wenn man alles und jeden nach Strich und Faden durch ideologie-kritisiert hat? Einfach mit den eigenen Leuten weitermachen wie bisher! […]
penis
[…] – dieser einfach zu begreifende Umstand wurde zuletzt von der ehemaligen Bonjour Tristesse in einem bewundernswerten militärischen Maneuver zu Genüge dargelegt. Die Jungle World ist eine professionelle Wochenzeitung mit Anzeigenkunden und […]
na wunderbar, die Kommentarspalte liest sich wie jede x-beliebige im mainstream- einigen können sich dann alle doch bei antifeminismus und plattem männlichkeitsgetue. thx, liebe ?linke?