19.Februar 2011; same procedure as last year:
Die ag „no tears for krauts“ Halle verteilte bei den Protesten gegen den Neonaziaufmarsch am 13. Februar 2010 in Dresden dieses Flugblatt, dass wir im folgenden dokumentieren.
Volksgemeinschaft gegen rechts?
Findest Du es merkwürdig, dass es niemanden in Deutschland zu geben scheint – von der autonomen Antifa über die Gewerkschaften bis hin zur CDU –, der es nicht „unendlich wichtig“ findet, sich dem heutigen Naziaufmarsch, wenn auch auf unterschiedliche Weise, entgegenzustellen: so, als stünde die NPD kurz vor einer Machtübernahme? Hast Du kein Problem damit, Dich bei Deinem Protest von solch unnachahmlichen Nervensägen wie Claudia Roth oder Konstantin Wecker anführen zu lassen? Findest Du es nicht komisch, hier mit genau denjenigen zusammenzusitzen, die sich heute Abend an der Frauenkirche unendlich betroffen über die „Sinnlosigkeit des Krieges“ zeigen werden: so, als wäre der Zweite Weltkrieg von alliierter Seite nicht mit dem größten Recht der Geschichte geführt worden? Nein? Dann ist Dir wohl nicht mehr zu helfen. Du kannst die Lektüre hier beenden. Setz Dich auf Deinen Hintern, kuschel Dich ins Blockadekollektiv, mach, was Dir der Bundestagsabgeordnete Deines Vertrauens sagt, der sicher nur wenige Meter von Dir entfernt friert, und komm Dir unglaublich widerständig vor. Wenn Du es hingegen gruselig findest, wie die Deutschen hier bei Eiseskälte parteiübergreifend zusammenrücken, als müsste der Kessel von Stalingrad noch einmal – diesmal allerdings gegen die Richtigen – verteidigt werden, dann lohnt sich das Weiterlesen vielleicht.
Gibt es – abgesehen von den Anhängern der 1,5-Prozent-Partei NPD – eigentlich irgendjemanden in diesem Land, der nichts gegen den heutigen Neonaziaufmarsch hat? Der sächsische Ministerpräsident, der Innenminister, die Dresdner Oberbürgermeisterin, Mitglieder des Landtages und der Stadtverwaltung wollen sich in eine Menschenkette einreihen, mit der die Altstadt vor den Nazis geschützt werden soll. Der Aufruf des Bündnisses „Dresden nazifrei“ wird von mehr als zweitausend Menschen und knapp siebenhundert Organisationen unterstützt. Bundesweit fanden mehr als fünfzig Informations- und Mobilisierungsveranstaltungen statt. Aus sechzig Städten fuhren Busse nach Dresden. (Allein aus Berlin sollen rund dreißig Busse angekündigt gewesen sein.) Selbst der Dresdner Staatsanwalt Avenarius, der dem Blockade-Bündnis „Dresden nazifrei“ arge Schwierigkeiten zu machen versuchte und dafür selbst in der FAZ für Verwunderung sorgte, tat dies nicht aus Sympathie mit den Nazis, sondern allenfalls, weil die Uhren in Sachsen dann doch noch etwas anders gehen als z.B. in Nordrhein-Westfalen – weil das neue Deutschland im Freistaat also noch nicht so richtig angekommen ist und möglicherweise nie vollständig ankommen wird. Er erklärte, sich trotz seiner juristischen Vorbehalte gegen eine Blockade der Nazidemonstration zumindest an der Menschenkette um die Innenstadt beteiligen zu wollen.
Wenn die Bundesbürger so einig gegen einen Feind zusammenrücken, dann heißt das zwar nicht unbedingt, dass dieser Feind sonderlich sympathisch sein muss. Dem Trachtenverein, der heute durch Dresden zieht, ist selbstverständlich alles Schlechte zu wünschen. Trotzdem ist bei volksgemeinschaftlichen Zusammenkünften der Deutschen Vorsicht und Skepsis geboten – auch dann, wenn sie sich einmal ausnahmsweise gegen die größten Freunde solcher Zusammenkünfte richten.
Die alte Einheitsfront
Wer vor sieben oder acht Jahren gegen den Naziaufmarsch am 13. Februar protestierte – es waren nur einige marginalisierte Antifa-Gruppen – kam nicht umhin, auch das offizielle Gedenken an diesem Tag zu kritisieren. NPD und Co. waren allenfalls die Speerspitze der großen Gedenkgemeinschaft. Zwischen den Parolen der Nazis, den offiziellen Gedenkreden und den Verlautbarungen der Regionalpresse gab es, wenn überhaupt, höchstens graduelle Unterschiede. Man sprach gemeinsam vom „alliierten Bombenterror“ und setzte die Zerstörung Dresdens mit Auschwitz gleich. Vor diesem Hintergrund wurde der Naziaufmarsch am 13. Februar von offizieller Seite ignoriert. Zu stark hätte eine Kritik des braunen Aufzugs auch das eigene Gedenken infrage gestellt. Für Empörung sorgten dementsprechend weniger die offiziellen Freundinnen und Freunde des Luftmarschalls Göring, sondern eine Handvoll jüngerer Leute, die beim kollektiven Gruseln an der Frauenkirche Konfetti warfen und mit Sekt auf den Sieg der Alliierten anstoßen wollten.
Die neue Einheitsfront
Dieser Sektempfang, der aufgrund polizeilicher Gesichts- und Dresscodekontrollen vor der Frauenkirche immer schwieriger durchgeführt werden kann, würde bei der versammelten Trauermeute zwar noch immer für die berühmten Genickschussforderungen sorgen. Insgesamt hat jedoch auch in Dresden eine Veränderung der Gedenk-Choreografie stattgefunden. Seit einigen Jahren sind nicht mehr die Nazis die Speerspitze der großen deutschen Erinnerungsgemeinschaft, sondern diejenigen, die den Naziaufmarsch behindern oder blockieren wollen.
So zieht Deutschland seine Identität inzwischen weniger, wie noch vor einigen Jahren, aus der Relativierung der deutschen Schuld, dem Kleinreden der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Aufrechnung mit dem sowjetischen Gulag, der DDR-Haftanstalt Bautzen oder dem Bananenmangel zwischen Rügen und Oberwiesental. Die alliierten Bombenangriffe werden immer seltener entkontextualisiert und als Naturgewalt präsentiert, die über friedliche Städte voller Christstollenbäcker und Kirschkernschnitzer hereinbrachen. Sie werden vielmehr als Folge des deutschen Angriffskriegs gegen Polen, die Sowjetunion, Großbritannien etc. begriffen. Ex-Kanzler Schröder erklärte dementsprechend schon vor fünf Jahren, am 13. Februar 2005, dass den neonazistischen „Versuchen der Umdeutung der Geschichte“ mit „allen Mitteln“ entgegengetreten werden müsse: „Wir werden nicht zulassen, dass Ursache und Wirkung verkehrt werden. Verantwortung vor unserer Geschichte heißt eben auch, Untat und Leid nicht gegeneinander aufzuwiegen.“
Aus dieser Erinnerung an die deutschen Verbrechen zieht die Bundesrepublik auch unter Schwarzgelb ihr zentrales Selbstbewusstsein. Es gibt kaum eine außenpolitische Aktivität des neuen Deutschlands – vom Jugoslawienkrieg über die Proteste gegen den Irakkrieg bis zur merkwürdig changierenden Politik gegenüber den Drohungen des iranischen Mullahregimes, Israel vernichten zu wollen –, die nicht mit der deutschen Vergangenheit und der „besonderen deutschen Verantwortung aus der Geschichte“ gerechtfertigt werden. Gerade aus der deutschen Vorreiterrolle in Sachen Vergangenheitsbewältigung leitet Deutschland mit anderen Worten das Recht ab, sich im internationalen Rahmen als große moralische Instanz aufspielen zu können.
Proud to be Erinnerungsweltmeister
Gerade aus der großen Erinnerungsoffensive zieht das neue Deutschland freilich auch das Recht, der gefallenen Wehrmachtssoldaten und den Opfern an der so genannten Heimatfront „in würdiger Weise“, wie es im diesjährigen Aufruf der Dresdner Oberbürgermeisterin heißt, zu gedenken. So ist es zu erklären, dass im Schatten der bundesweiten Gedenkepidemie, des Rambazambas am 27. Januar und der Betroffenheit bei „Schindlers Liste“, „Das Leben ist schön“ und „Der Pianist“ auch NS-Bunker- und Durchhaltefilme wie „Der Untergang“ oder „Napola“ Erfolge an den Kinokassen feiern können.
Diese Kombination aus „Bruch mit der Vergangenheit“ und „würdigem Gedenken“ an die deutschen Opfer ist inzwischen auch in die einschlägigen Erinnerungsrituale eingegangen:
● Am 13. Februar stellt sich, wie es in den diversen Kommandoerklärungen aus dem Rathaus oder der Zentrale von „Dresden nazifrei“ immer wieder sinngemäß heißt, das neue Deutschland zunächst seiner Vergangenheit, spricht von den deutschen Verbrechen und den Opfern: So wird im diesjährigen Aufruf der Dresdner Oberbürgermeisterin nicht nur erklärt, dass der Zweite Weltkrieg „von Deutschland ausging“. Auch die öffentliche Lesung der Namen der ermordeten Dresdner Juden, Sinti und Roma ist längst fester Bestandteil des Erinnerungsereignisses „13. Februar“.
● Auf einer zweiten Ebene wird der Bruch mit dieser Vergangenheit demonstriert – wofür kaum etwas besser geeignet ist als der Kampf gegen diejenigen, die sich offen zu ihrer NS-Begeisterung bekennen: die Teilnehmer des Neonaziaufmarschs.
● In einem dritten Schritt wird schließlich – mal aktiv an der Frauenkirche, mal mit einem verständnisvollen Text im linken Nachrichtenportal „Indymedia“ – der deutschen Opfer des Bombenangriffs gedacht.
Die zivilgesellschaftlichen Aktionen gegen den Naziaufmarsch sind damit, wie vor einigen Jahren in einer antifaschistischen Zeitschrift erklärt wurde, „nicht nur das vormittägliche Fakultativprogramm zum Kerzenhalten an der Frauenkirche. Ebenso wie die Verweise auf die deportierten Dresdner Juden und die deutsche Schuld sind sie inzwischen die zentrale Voraussetzung des neuen Gedenkereignisses ‚13. Februar‘. Gäbe es den Naziaufmarsch nicht, er müsste von der Zivilgesellschaft erfunden werden.“
Gute Deutsche versus böse Nazis
Die zentrale Grundlage dieser neuen Form des Erinnerns ist die Trennung zwischen guten Deutschen und bösen Nazis – nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für die Vergangenheit. „Nie wieder“, so erklärt das Blockade-Bündnis „Dresden nazifrei“ exemplarisch in seinem Aufruf, „werden wir den AnhängerInnen des verbrecherischen Naziregimes unsere Städte überlassen.“
Vor dem Hintergrund dieser Aufspaltung in gute Deutsche und böse Nazis müssen die alliierten Bombenangriffe auf deutsche Städte entweder, wie im Subtext des Blockadeaufrufs, als alliiertes Verbrechen präsentiert werden: „Der verbrecherische Krieg“, so die Initiatoren von „Dresden nazifrei“, „ging von Nazideutschland aus und kehrte 1945 nach Dresden zurück [Hervorhebung von uns, ‚ag ntfk‘].“ (Soll heißen: An den Deutschen wurde plötzlich das durchexerziert, was sie kurz zuvor nach Polen oder in die Sowjetunion gebracht hatten – Gettoisierung, Vernichtungskrieg und Holocaust.) Oder es muss behauptet werden, dass die Angriffe in erster Linie der Rüstungsindustrie galten. Mit dieser Aussage wird allerdings eine neue Legendenbildung betrieben. So waren die zerstörten deutschen Innenstädte nicht die Kollateralschäden der alliierten Kriegführung, sondern die Wohnviertel zählten zu den zentralen Zielen der Royal- und US-Air-Force. Hinter der alliierten Strategie des „moral bombing“ – des Angriffs der Deutschen in ihrem direkten Lebensumfeld – verbarg sich die Hoffnung, dass die Deutschen ihre Lage erkennen, ihre Führung zum Teufel jagen und insofern dafür sorgen, dass das Sterben an der Front und in den Lagern beendet wird.
Wer erklärt, dass die alliierten Bombenangriffe in erster Linie der Rüstungsindustrie galten, verstellt den Blick auf eine Reihe von Fragen, die für das Verständnis des Nationalsozialismus weitaus bedeutender sind als die Frage nach der Anzahl der kriegswichtigen Betriebe in Dresden, Hamburg oder Magdeburg. Und zwar: Warum funktionierte das „moral bombing“ in Italien und nicht in Deutschland? Warum gab es in Italien, Jugoslawien oder Griechenland riesige Partisanenarmeen, während in Deutschland nur kleine, vollkommen auf sich selbst gestellte Grüppchen und Individuen Widerstand leisteten? Warum konnten die Deutschen also auch durch Bomben nicht davon abgehalten werden, Juden zu ermorden, ihrem Führer Kinderwünsche anzutragen und bis zur offiziellen Kapitulation mitzumachen?
Die Antwort ist ebenso banal wie verpönt, weil sie auch die neue nationale Traditionsbildung, die sich hinter der hübschen Formel vom „würdigen Gedenken“ verbirgt, dementiert:
● Die Deutschen überließen „unsere Städte“ nicht einfach, wie die Initiatoren der heutigen Blockaden meinen, den Nazis, sondern vertrieben – ob NSDAP-Mitglied oder nicht – kollektiv die Juden aus diesen Städten.
● Die Nazis landeten nicht infolge eines „Marschs auf Berlin“, sondern eines Marschs durch die Stimmlokale im Reichstag. (Der Nationalsozialismus war mit anderen Worten keine herkömmliche Diktatur, die aus einem Putsch oder einem Bürgerkrieg hervorging, sondern eine barbarische Form direkter Demokratie.)
● In Deutschland gab es spätestens seit der klassen- und schichtenübergreifenden Beteiligung am Judenmord und dem kollektiven „Ja“ zum „totalen Krieg“ keine Zivilisten mehr, sondern nur noch Volksgenossen.
Was passiert also heute in Dresden?
1. Neonazis, die gesamtgesellschaftlich vollkommen marginalisiert sind, ihre Rolle als Stichwortgeber der deutschen Politik längst verloren haben, den gesellschaftlichen Trends mühsam hinterherhecheln und von einer Machtübernahme so weit entfernt sind, wie ein Rehpinscher von einer Kaktusfliege, ziehen in einer Art überdimensioniertem Familientreffen durch die Stadt.
2. Das neue Deutschland, das „wegen Auschwitz“ nach mehr Verantwortung auf internationaler Bühne verlangt, für das langjährige Appeasement gegenüber antisemitischen Regimes im Nahen Osten steht, an „fremden Kulturen“ vor allem ihre barbarischen Seiten zu schätzen weiß, NPD und Co. in Volksgemeinschaftsmanier als Gemeinschaftsschädlinge betrachtet und gegen Nazis mit einer Reinigungsmittel- und Kammerjägerrhetorik zu Felde zieht (Dresden soll „nazifrei“ werden, „braune Flecken“ sollen entfernt werden, „unsere Stadt“ soll vor dem „Eindringen Rechtsextremer“ geschützt werden etc.), die dem Wörterbuch des Unmenschen entliehen sein könnte, kurz: das „andere“ Deutschland, das einem Wort Eike Geisels zufolge vor allem „anders deutsch“ ist und sich mit seinen aktuellen und zukünftigen Repräsentanten einig weiß, hält unter Führung dieser Volksvertreter eines seiner zentralen identitäts- und gemeinschaftsstiftenden Selbstfindungsrituale ab. (Nicht umsonst sind Kamerateams aller großen deutschen Fernsehanstalten angereist, um im Abendprogramm über die heldenmütige Verteidigung Dresdens gegen den braunen Schrecken zu berichten.) Am Vormittag signalisiert das neue Deutschland, dass es mit seiner Vergangenheit gebrochen hat: Die erlebnisorientierte Jugend liefert sich in den Seitenstraßen Scharmützel mit Nazis und Polizei, die weniger Sportiven spielen Stellungskrieg und versuchen, die Nazidemonstration zu blockieren, und die Gesetzteren verteidigen mit einer Menschenkette das Hinterland und werden dabei laut Stadtverwaltung von „mobilen Tee-Einheiten“ unterstützt. Daran anschließend fahren sie entweder mit gutem Gewissen nach Hause oder machen mit noch besserem Gewissen beim abendlichen Kerzenhalten an der Frauenkirche mit. (Nur ein paar Leute, die die Verwandlung der deutschen Erinnerungskultur allenfalls pflichtgemäß in ihren eigenen Mobilisierungstexten abhaken, ansonsten aber nichts davon wissen wollen, geben sich der Schizophrenie hin, am Abend bekämpfen zu wollen, was sie am Vormittag mit auf den Weg gebracht haben.)
Wem es weder um Deutschland noch um das gemeinschaftsstiftende Frieren mit Isomatte und Thermoskanne geht, hat beim Dresdner „Gesicht zeigen gegen Nazis“ jedoch nichts zu suchen. Zumindest nicht, so lange gegen die Nazis im Namen des Kollektivs, eines Dresden-Patriotismus („unsere Stadt“) und eines neuen deutschen Gemeinschaftsgefühls aufgerufen wird. Wer die Nazis trotzdem nicht einfach Nazis sein lassen will – auch wenn ihnen öffentlich kaum noch jemand Verständnis entgegenbringt, stellen NPD und Co. gerade im ländlichen Raum nach wie vor eine ernstzunehmende Gefahr für Migranten, Punks oder Obdachlose dar –, kann sich auch in Jena, Greiz oder Eisenach darum bemühen, ihnen ihre Ankunft oder Abfahrt zu vermiesen: ohne sich als Statist für das große TV-Spektakel „Die Wiedergutwerdung der Deutschen“ herzugeben.
ag „no tears for krauts“, 13. Februar 2010
Allem, was Ihr so über den Zustand der deutschen „Vergangenheitsbewältigung“ sagt, kann ich nur zustimmen. Es ist natürlich völlig hirnrissig, gegen „die Nazis“ zu sein, und mit den offiziellen Dresden-Feiern am 13.2. keinerlei Probleme zu haben. Und es ist unerträglich, wenn es im Mobilisierungsvideo zu „Dresden nazifrei“ heißt: „Die Nazis missbrauchen die Trauer um getötete Zivilisten und die Zerstörung Dresdens für ihre menschenverachtende Politik“. So weit so einfach.
Nur schade, dass Grautöne und Ambivalenzen euer Denkvermögen zu übersteigen scheinen. Wenn Nazis nicht allein das Problem sind, müssen sie marginal sein. Und wenn es ein politisch allzu breites Bündnis gibt – kann es keine Differenzen zwischen sächsischer CDU und Berliner Antifa mehr geben. Ach ja, und wenn jemand mit falschen Argumenten zu etwas aufruft, ist es besser, nicht hinzugehen.
Fragt sich nur, warum ihr noch Flugblätter schreibt – Nur um sie an Verirrte zu verteilen und ihnen mitzuteilen, dass ihnen eh nicht mehr zu helfen ist? Da sind ja selbst die Zeugen Jehovas attraktiver.
dass die nazis derzeit keine gesellschaftlich relevante größe sind, dürfte doch unstrittig sein. die frage ist doch die, warum ist die antifa an vorderster front dabei ist, wenn es gilt, die volksfront gegen einen feind zu richten, der von jeden x-beliebigen deutschen als anachronismus abgetan wird? vielleicht wäre es ganz hilfreich, sich einmal die konstitution der deutschen zur volksgemeinschaft anzusehn und in einem zeiten schritt sich zu vergegenwärtigen, dass diese konstitutionsbedingungen in form bestimmter denkformen eben nicht mit dem 8. mai 1945 zu den akten gelegt wurden. ganz im gegenteil. das stichwort wäre postnazismus. ausgerechnet bei dieser rekonstitution der volksgemeinschaft – auf zugegebenermaßen weniger barbarischem level – in bezug auf die fahndung nach volksfeinden und standortschädlingen entblödet sich die antifa nicht, dies als anknüfungspunkt und wie der ganze bündnissprech heißt abzufeiern. bei aller rhetorischen distanz, die die praxisgurus aufbieten, objektiv ist man teil und sogar motor dieses schauspiels – einer zutiefst deutschen zusammenrottung, der es um die bekämpfung der protagonisten eines modells geht, das man weinenden auges nicht mehr verfolgen kann.
MM, schön dass Du den Artikel nochmal zusammengefasst hast – aber sollte das eine Antwort sein oder nur eine Wiederholung?
Ach ja, und danke für diesen überaus wohlwollenden und so überhaupt nicht deutschen Oberlehrer-Ton. Das Wort Postnazismus hatte ich bis heute wirklich noch nie gehört 😉
Ich sag nur: Wachturm!
hmm, du schreibst:
„Und wenn es ein politisch allzu breites Bündnis gibt – kann es keine Differenzen zwischen sächsischer CDU und Berliner Antifa mehr geben.“
nun frage ich mich in der tat, wie sich die die differenzen zwischen der sachsen-cdu und der berliner antifa (immerhin verweist du damit implizit darauf, jene hätte etwas „attraktiveres“ [doch dazu weiter unten] zu bieten, als die nicht-berliner antifa) in besagter sache äußern. sieht man einmal davon ab, dass besonders aktive streetfighter wohl nicht unbedingt abgeneigt wären, die „bonzenkarren“ ihrer bündnispartner abzufackeln, so bleibt unterm strich der standortschutz stehen, der beide eint.
wenn du das wort postnazismus nicht nur gehört, sondern dich mit dessen inhalt befasst hättest, so wüßtest du, dass die beständige fahndung nach volksfeinden ein essential der nachkriegsentwicklung ist. das jeweilige objekt der begierde ist dabei relativ auswechselbar. schau dir mal die bildzeitung an (nicht weil sie besonders böse, weil springer, ist). die macht das wunderbar vor: heute der bonze, morgen der sozialschmarotzer; dann der hundehalter, später der nazi. aber ein vermeintlicher massenaufmarsch kann einem schon mal die analytische sicht ins grau verschwimmen lassen…
und weiter unten:
„Da sind ja selbst die Zeugen Jehovas attraktiver.“
die angemahnte attraktivität scheint wohl genau das problem zu sein. kritik ist eben was anderes als politikmachen. kritik gehts nicht darum, jemand da abzuholen wo er steht, sondern ihm klar zu machen, in welcher gesellschaft (oder besser gemeinschaft) er sich befindet. sind die würfel noch nicht ganz ausgespielt, so wird er reflektieren. ganz einfach. das ziel der kritik besteht nicht in einer neuen bewegung, sondern in der denunziation des falschen.
das geschäft der politik ist es nämlich, was berliner antifa und die sächsische cdu eint: einfluss gewinnen, gesellschaftliche stimmungen nutzen und lenken usw usf. was die berliner antifa betrifft, so ist das nachzulesen in der interim nach ausrufung des aufstandes der anständigen (u.a. nr. 509, september 2000)
etwas überspitzt: das in berlin entworfene konzept antifa war und ist objektiv betrachtet nichts anderes als ein bewerbungsschreiben für die berliner republik.
Danke MM, dass Du mit Deiner Replik den Kernpunkt meiner Kritik noch mal bestätigt hast.
Ich habe in meinem ersten Posting nicht mehr und nicht weniger gesagt als dass der Artikel keinerlei Zwischentöne zulässt. Ein Beispiel: Wenn Antifa und CDU aus punktuell zusammenarbeiten, das auch noch „Politik“ nenen und sich zudem in der ekligen „Berliner Republik“ befinden, dann dürfen etwaige Differenzen zwischen ihren politischen Überzeugungen, Ansätzen und ihrer Praxis einfach keine Rolle mehr spielen.
Anfangs habe ich mich noch nach den Gründen für solch schablonenhaftes Denken gefragt. Aber Deine Antworten, MM, machen deutlich, dass es wohl gar nicht um eine Analyse oder gar um eine Intervention geht (das wäre ja per se verwerflich), sondern alleine darum, sich in der Rolle dessen zu wähnen, der zwischen Richtigem und Falschem zu unterscheiden weiß – darin liegt die Gemeinsamkeit mit den Zeugen Jehovas. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, bei Widerspruch schlicht Unwissen zu unterstellen.
Der Unterschied besteht allerdings darin, dass jene sich als Gläubige verstehen, nicht als Kritiker. Es gibt also noch etwas zu lernen!
Lieber Berliner,
es mag ja sein, dass Grautöne das Denkvermögen der AG ntfk übersteigern. (Wie auch immer das gehen soll.) Wenn das aber die Voraussetzung dafür ist, dass man nicht in den Erinnerungsarbeiterjargon verfällt, etwas im besten Claudia-Roth-Slang als „unerträglich“ bezeichnet, um danach irgendwie kritisch bei der Sauerei mitzumachen, dann soll es so sein.
Gleichzeitig scheinen mehr als fünf Buchstaben Dein Lesevermögen zu übersteigen. Es geht nicht darum, ob jemand mit den falschen Argumenten zu etwas aufruft, sondern darum, welche Funktion die ganze Veranstaltung hatte – was man ohne Weiteres in der Bürgerpresse nachlesen kann, wenn man könnte.
Und was den Grund anbelangt, warum das Flugblatt geschrieben wurde: Es richtete sich weniger an die, denen nicht mehr zu helfen ist. (Wenn Du richtig gelesen hättest, dann wüsstest Du, dass ihnen schon in der Vorrede nahegelegt worden ist, nicht weiter zu lesen.) Sondern es richtete sich an die, die noch Zweifel haben. Bei einem hat es zumindest zum Nachdenken geführt – sonst hätte Dein schlechtes Gewissens Dich wohl nicht getrieben, Dein Mitmachen wider besseres Wissen hier zu rechtfertigen: Oder schreibst Du den Zeugen Jehovas auch ihr Forum voll? Wenn ja, dann wäre Dir tatsächlich nicht mehr zu helfen.
Auch schön!
Erst schreibt man Flugblätter, um Menschen mitzuteilen, dass sie den weiteren Inhalt NICHT lesen sollen. Dann spricht man denen, die dennoch weiter lesen, die Fähigkeit zum Lesen bzw. verstehen ab. Wozu der Aufwand? Die katholische Kirche hat wenigstens gleich in einer Sprache kommuniziert, die die Gläubigen nicht sprechen.
Sach mal,
is das Dein Ernst? Das Flugblatt ist doch nicht geschrieben um Leuten mitzuteilen, dass sie es nicht weiterlesen sollen. Der Typ über Dir hat es doch ganz klar gesagt, Leuten, die kein Problem mit Dresdner Zuständen haben, und bei denen alle Hoffnung vergebens ist, wird nahegelegt, nicht weiterzulesen, alle die zweifeln und in Dresden ein Unbehagen verspüren, werden aber angesprochen.
Du hast doch oben eigentlich den zentralen Punkten des Textes zugestimmt, ist das jetzt die innere Abneigung, einem Text einer Gruppe wie ntfk Halle zuzustimmen, weil die manchmal auch Quatsch erzählen, die deine schizophrene Halbkritik auf Sinnlosniveau hier verursacht? Was sollen diese bescheuerten Diskussionen, SETZT EUCH DOCH MAL MIT DEM INHALT DES TEXTES AUSEINANDER!
@ (vorder|hinter)Buxtehuder,
bevor du weiter rumschreist, versuch ich’s mal ausnahmsweise ohne Polemik. Ich habe den Inhalt des Textes zur Kenntnis genommen und der Kernaussage auch zugestimmt – Deine Pseudo-Psychologisierungen („innere Abneigung“, „schlechtes Gewissen“) laufen also ins Leere.
Diese grundsätzliche Zustimmung voraussetzend habe ich mir erlaubt, das schablonenhafte schwarz-weiß-Denken im Artikel infrage zu stellen. Denn die Argumente bleiben ja auch richtig, und werden sogar überzeugender – so meine These – wenn man gewisse Differenzierungen, die die Komplexität gesellschaftlicher Realitäten nun einmal gebietet – auch zur Kenntnis nimmt.
Die Reaktionen auf diese Kritik haben jedoch gezeigt, dass Dir, MM und wahrscheinlich auch den Autorinnen des Textes im Zweifelsfall nicht darum geht, zu überzeugen, sondern Recht zu haben – anstatt sich mit der Kritik auseinanderzusetzen, wird der Kritiker denunziert – das entspricht nunmal dem Habitus religiöser Sekten.
Schon witzig, da schreibt jemand was von den zeugen Jehovas und vom Wachturm, um sich kurz darüber zu beschweren, dass der Gegenüber polemisch ist – und dann auch noch so zu tun, als wäre das alles gaaanz sachlich gemeint. Mach Dich doch nicht lächerlich: Mit dem Satz, in dem Du schreibst, dass es den Autoren nicht darum geht zu überzeugen, sondern Recht zu haben, beschreibst Du doch vor allem Dich selbst, Du Horst.
Ich hab mich nicht über Polemik aufgeregt, sondern über Borniertheit – hinzufügen könnte ich noch der offensichtliche Zwang, mit persönlichen Angriffen zu operieren. Du Karlheinz…
Du Opfer – „wird der Kritiker denunziert“ – , das Flugblatt ist keine wissenschaftliche Hausarbeit zu den Protesten in Dresden, bedarf daher keine falsche Differenzierung bei entschieden Gleichem. Es ist gemeinhin der Charakter von politischen Texten, auf diese Methodologie verzichten zu dürfen. Es würde sich bei deinem komischen Positivismus und Differenzierungssehnsucht gebieten, den Unterschied zwischen dem Text und einem religiösen Pamphlet zu betrachten, eben die Tatsache, dass dieser einen aufklärerischen Aspekt besitzt und von seinen Lesern kein Glaubensbekenntnis abverlangt, entgegen der religiösen Rechtsschrift, nicht auf Offenbarung, sondern auf Erfahrung für die Richtigkeit der eigenen Meinung vertraut.
Bevor du nun weiter: der Kritiklosigkeit entgegen differenzierst, erzähl uns offen, dass dir der Text zuwider ist, weil er deine politische Existenzgrundlage kaputt macht, und Nazis zu einem marginalen Randproblem erklärt.
Was den Text und viele der Kommentare (inklusive Deinem) auszeichnet, ist eben jener unbeirrbare Glaube an „die Richtigkeit der eigenen Meinung“. Aber nicht nur die eigene Meinung kennt man, sondern auch Motivation, Selbstzweifel und „politische Existenzgrundlage“ von Menschen, von denen man nicht mehr kennt als ein paar Zeilen Text.
Dein letzter Satz offenbart dann auch die wahre Absicht des Geschriebenen – wer nicht allem zustimmt, kann nichts verstanden haben – q.e.d.
Ey Berliner mit und ohne Füllung:
a) Ich bin nicht Hinterbuxtehude, das is wer anders.
b) Berliner mit Füllung? Das sind Pfannkuchen, ihr Zonis.
„Denn die Argumente bleiben ja auch richtig, und werden sogar überzeugender – so meine These – wenn man gewisse Differenzierungen, die die Komplexität gesellschaftlicher Realitäten nun einmal gebietet – auch zur Kenntnis nimmt“
–> Diese Aussage zeigt doch nur wie sehr du, lieber „den Grundthesen zustimmender“ Berliner, in Wahrheit die argumentative Ebene, auf der diese Grundthesen Gültigkeit haben können, verfehlst.
Es geht im Flugblatt ja gerade nicht darum, die Befindlichkeit von Aktivisten zu berücksichtigen, die aus den „richtigen Gründen“ was machen, worauf sich die „Breite Masse“ auch, nur eben aus falschen Gründen, verständigen kann. Es geht um das objektive sich gemein machen mit dieser Masse, welches sicherlich dadurch nich besser wird dass man es sich schönredet dadurch, dass man ja vielleicht so ein paar Leute dort abholen kann wo sie stehen, oder radikale Inhalte ins Volk tragen, und wie man halt so schwätzt wenn man Realpolitik macht. Differenzen sind herauszustellen, wo sie wirkmächtig sind. Wo sie als ideologischer Schein Gemeinsamkeiten verschleieren, müssen sie auch als ein solcher angegriffen werden.
Ach wie gut, dass es noch Menschen gibt, die zwischen objektiver Wahrheit und subjektiver Befindlichkeit, zwischen ideolgischem Schein und wirkmächtiger Differenz zu unterscheiden wissen. Und wie gnädig, dass sie dieses Wissen teilen…
Amen.
Ich korrigiere: Du Pfannkuchen.
Gemeinschaftsphobist und Deutschenhasser. Beides doof.
Ich finde das Flugblatt (auch ganz ohne pseudointellektuellen Habitus) einfach nur doof…
Guter Text! Kritik an den beschriebenen Verhältnissen ist leider rar. Weiter so!
Typische situation von kommentardiskussionen, eh? Mensch hat halt nicht den platz ein argument auszufalten. Ich versuchs trotzdem:
Die analyse über die gesellschaftliche funktion der blockade ist sehr richtig und sehr gelungen. Jedoch arbeitet der text an anderen stellen mit sehr starken prämissen.
„Stichwort postfaschismus“. „Postfaschismus“ kann mensch ja nicht einfach beobachten. Vielmehr handelt es sich um ein erklärungsmuster, anhand dessen die eigenen erfahrungen/beobachtungen geordnet und verstanden werden. Daher ist ein streit darüber, ob es soetwas wie die postfaschistische vergesellschaftung gibt, auch nicht dadurch zu klären, dass mensch sagt: „schau es dir doch an!“. Denn anschauung funktioniert hier einfach nur im sinne einer bestätigung der richtigkeit der eigenen annahme. So wird die argumentation schnell zu einer nach dem motto „da sieht man’s mal wieder!“
Wenn also hier beobachtet wird, dass „deutsche“ von ganz links bis ganz konservativ alle zusammenstehen, was heißt das? Erstens: wer konstituiert hier das kollektiv? „deutsche“? Waren da nicht vielleicht migrant_innen, eu-ausländer_innen usw. dabei? Wie sieht es aus mit jüdischen deutschen, sinti, roma, usw.
Vom fußball-partynationalismus wissen wir: theoretisch dürfen alle mitmachen, die sich als deutsche verstehen. „Deutsch“ ist also (in diesem zusammenhang in der öffentlichen wirkung! nicht wenn gerade wieder sarrazin spricht und die meisten applaudieren) – eine frage des bekenntnisses, nicht der abstammung. Wie passt das mit der idee der volksgemeinschaft zusammen?
Wenn ich euch richtig verstanden habe, konstituiert sich diese gemeinschaft aus dem gemeinsamen bekenntnis gegen nazis. Das ist nicht ganz richtig analysiert: Das bekenntnis zu deutschland gehört schon dazu. Und da machen ja zumindest teile der antifa nicht mit. Da gibt es ja auch schon ordentlich viele leute, die auch nicht von „unseren städten“ usw. sprechen mögen. Wenn „dresden nazifrei“ das trotzdem tut (und sie führen es ja schon quasi im namen), dann deshalb, weil in bündnisarbeit so mancher kompromiss gemacht werden muss.
So! Ham wir dich! Werdet ihr jetzt sagen, das unterstellt doch schon, dass nazis blockieren AN SICH ne gute sache ist – du hast also den text nicht verstanden. Doch, ich denke, das habe ich.
Allerdings: Die arbeit im bündnis, diese kleinteilige, eklige arbeit, sich mit der zivilgesellschaft und ihren guten absichten an einen tisch setzen zu müssen, hat doch erst dazu geführt, dass dresden die modernisierte form von erinnerungspolitik betreibt. Vorher war doch noch einseitige opferstory am start. Da haben noch antideutsche dafür gekämpft, dass die rolle als täter_innen, die schuld des gesamten deutschen volks usw. anerkannt wird. Alle diese forderungen sind umgesetzt – aufgrund der beschissenen bündnis- und öffentlichkeitsarbeit, die halt eine zivilgesellschaftsantifa betreiben konnte. Und? Sind sie gescheitert?
Keineswegs. Sie sind nur soweit gekommen, wie man in der zivilgesellschaft überhaupt kommen kann: Gedenkpolitik mit nationalem vorzeichen kann eben nicht mit dem ergebnis enden, dass am ende herauskommt, dass deutschland immer scheiße ist, war und sein wird. Das ernsthaft zu hoffen, ist quatsch.
Komisch nur, dass das wort „nationalismus“ bei euch nicht wirklich auftaucht. Das wäre nämlich die alternative erklärung für das, was in dresden passiert. Alternativ eben zum ansatz, das ganze über „volksgemeinschaft“ zu denken. Was die dresdner_innen und die zivilgesellschaft auf die straße treibt, ist ihr nationalismus. Sie wollen, dass deutschland gut da steht. Sie sind aber – nicht freiwillig, sondern aufgrund nicht zuletzt antideutscher interventionen über jahre – nicht mehr in der lage, die deutsche schuld zu leugnen. Daher inszenieren sie mit der blockade (ob direkt oder symbolisch) ihre läuterung. Unterschiede gibt es allerdings noch, wie der zusammenhang zwischen der deutschen schuld und dem opferstatus (sowohl im sinne von auch opfer hitlers gewesen sein zu wollen, als auch opfer der alliierten) gedacht, begründet und gewichtet wird.
Dass ihr das nicht differenziert, da hat „berliner“ eben recht, ist ein deutliche schäche im text. Da habt ihr für das feine handwerk der kritik einfach die zu groben werkzeuge verwendet.
Nochmal: was also ist gewonnen, wenn die dresdner zivilgesellschaft im aufarbeitungsnationalismus der berliner republik schließlich angekommen ist? Das erste ist, dass den nazis tatsächlich in der frage des opfergedenkens stückweis der nährboden in der mitte der gesellschaft entzogen wird, also erreicht wurde, dass die gefahr, dass diese gesellschaft in einen neuen deutschen faschismus (wenn nicht gar nationalsozialismus) numschlägt, noch etwas kleiner geworden ist.
Zweitens: auch andere debatten ließen sich vermittelt über die dresden-geschichte in den diskurs tragen. spd, grüne und linke haben sich nun explizit gegen die extremismusformel ausgesprochen – nicht zuletzt aufgrund der erfahrung mit „dresden nazifrei“. Ebenso wurde nochmal im aufruf der gesellschaftlich weit verbreitetere und weit gefährlichere rassismus a la thilo sarrazin angegriffen.
Es ist also über dresden gelungen, tatsächlich von links in die gesellschaftliche debatte zu intervenieren, diskurse zu verschieben. Mehr ist bei unserer eigenen marginalität nicht zu erreichen. Es ist aber die voraussetzung dafür, aus der marginalität irgendwann mal rauszukommen.
Interessant ist nun – und da habt ihr wieder einen wichtigen punkt getroffen – dass diese intervention nur deshalb funktioniert hat, weil die eintrittskarte (entgegen der absichten von no pasaran) tatsächlich das nationale ticket war. Wie auch bei der männer-fussball-wm zeigt sich deutschland eben immer dann für alle offen, wenn es sich für die nationale inszenierung eignet.
Diese inszenierung aber ist eben keine volksgemeinschaftliche, sondern die einer liberalen nation. Die frage wäre jetzt: habt ihr (so wie ich) auch ein problem mit der liberalen nation oder braucht ihr das konstrukt „postfaschismus“ um deutschland scheiße finden zu können?
hmpf… ich bin verwirrt… wenn ich mich jetzt den Nazis auf Demos entgegenstellen will, weil ich aus einer Region komme, in der Rechtsextremismus eben doch mehr als nur ein marginales Problem darstellt, und ich deshalb zu Gegenaktionen anreise, sei es in Neuruppin, Teterow oder auch Dresden und in eben diesen Städten auch bürgerlicher Gegenprotest organisiert wurde (inkl. Demokratie-Fest auf dem Marktplatz mit Bockwurstbratbude) – was in meiner Erfahrung gerade in den kleineren Städten schon irgendwie noch sowas wie einen Hoffnungsschimmer darstellt – ist es dann noch legitim für mich dort hinzufahren und auf meine Art gegen Nazis zu protestieren? Ich fühl mich nämlich gerade so, als wär der Freind (die Nazis) meines Feindes (der liberale/konservative Bürger) mein Freund und als wenn die „paar Leute“, die jedes Jahr von Nazis verprügelt, verfolgt und bedroht werden nichts gegen all die Menschen, die dem bürgerlichen postfaschistischen Staat zum Opfer fallen. „Überlassen wir den Nazis Ostvorpommern solange die Deutschen ihr Deutschland nicht bekommen!“
Klar jubelt die bürgerliche Presse jetzt über die feinen Bürger, die sich den Nazis in Dresden in den Weg gestellt haben, aber es interessiert mich nicht (und sollte euch auch nich interessieren), was die Presse schreibt und genauso wenig interessiert es mich ob sich die Parlamentarier jetzt geeinigt auf die Schulter klatschen und Deutschland in der Welt jetzt ein Stück besser da steht. Is es mir ziemlich egal ob Deutschland in der Welt überhaupt irgendwie da steht, denn wenn ich mir darüber Gedanken machen würde, wäre ich doch keinen Deut besser als der Bürgermob. Was ich auf jeden Fall nich sehen will is, wie 2500 Nazis durch Dresden (oder sonstirgendeiner Stadt in diesem Universum) marschieren, weil die Bürger durch ihre Menschenkette nich in der Lage waren, dies zu verhindern. Nich wegen der Außenwirkung, sondern aus reiner Gehässigkeit, damit sie sich schön 5 Stunden in der Kälte stehen und frieren dürfen.
Ich glaub ihr seid einfach nur pissig, weil die „Volksgemeinschaft“ euch (oder uns) um eure (unsere) Argumente betrogen hat. Die Reaktion darauf sollte aber nicht die sein, deshalb Aktionen zu meiden, bei denen „bürgerliches Engagement“ involviert ist, sondern die Argumente zu verfeinern und auch offene Kritik an den bürgerlichen Aktionen zu üben (eure Kritik ist nur szene-intern). So lapidar es klingt, aber manchmal reichen da auch brennende Mülltonnen. Bringen auf jeden Fall ne größere Wirkung als euer Pamphlet hier.
P.S.: einige Anführungszeichen sind als Zitat und andere als Ironie gedacht. Bitte nicht kleinkariert sein. Hab jetzt keine Fußnoten gemacht.
die autor/innen wissen nur zu gut, was die volksgemeinschaft war, nämlich das kollektiv viel zu vieler deutscher, welche den holocaust und vernichtungskrieg organisierten.
im zuge der bündnisarbeit gegen neonazistische großaufmärsche von einer volksgemeinschaft gegen rechts zu sprechen, ist eine nicht hinnehmbare frechheit.
und komisch auch, dass opfer des volksgemeinschaftlichen treibens, etwa das auschwitzkomitee zur unterstützung der blockaden aufrufen.
deutlich übers ziel hinausgeschossen, genoss/innen!
[…] wenn sie sich einmal ausnahmsweise gegen die größten Freunde solcher Zusammenkünfte richten“, befand unlängst die Zeitschrift Bonjour Tristesse aus Halle. Wie Recht sie hat, belegt der nachfolgende […]
[…] zusammenfand, die den Bündnisaufrufen zum Naziblockieren gefolgt sind, zumal sich hier eine deutsche Einheitsfront gegen Rechts gebildet hatte, was allein Grund zur berechtigten Sorge […]
[…] wer sich noch nicht genug gegruselt hat: Volksgemeinschaft gegen Rechts (Flugblatt der AG No Tears for […]
[…] er das Wort „Volksgemeinschaft“, und zwar – anders als etwa die Ideologiekritiker von „Bonjour tristesse“, die das Bonmot von der „Volksgemeinschaft gegen rechts“ mit Blick auf selbsternannte […]