Als hätten Schüler angesichts von Life Kinetik und Co. nicht schon genug zu ertragen (vgl. Scheitern als Lehrplan in dieser Ausgabe), wird ihnen nun auch noch die »Bildungsarbeit und Medienkompetenzvermittlung« des Vereins Mohio aufgenötigt. Auf dessen Internetseite kann man lesen, dass das Wort Mohio aus der Sprache der Maori, einem indigenen Völkchen aus Neuseeland, kommt und so viel bedeutet wie »Weisheit« und »Wissen«. Diese Weisheit will auch der gleichnamige Verein mit Löffeln gefressen haben. Neben außerschulischen Workshops, in denen zusammen ökologisch-regionale Mahlzeiten zubereitet, aus ausrangierten Kleidungsstücken neue gestrickt oder gemeinsam Filme über regenerative Methoden der Energiegewinnung angeschaut werden, bietet er auch Vorträge und Seminare für Schüler an. Zahlreiche Schulen in Halle und der Umgebung nutzen inzwischen das Angebot des Vereins, der sich auf die Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt berufen kann.
Die Schulvorträge haben mit der kritischen Auseinandersetzung mit medialer Berichterstattung und dem Erlernen eines sachgerechten Medienumgangs allerdings ebenso wenig zu tun, wie die nachhaltigen außerschulischen Koch- und Strickkurse. So verteilen die Vereinsmitglieder bei ihren Vorträgen unkommentierte Flyer im Copy-and-Paste-Stil, die Ausschnitte aus Joris Luyendijks Buch Wie im echten Leben wiedergeben. In den zitierten Passagen empfiehlt der Autor, für pädagogische Zwecke die Wirkung einer High-Tech-Bombe auf einen menschlichen Körper plastisch darzustellen. Weiterhin wird eindringlich das Leid der Zivilbevölkerung – natürlich vor allem das der Kinder – in Bagdad oder Gaza geschildert. Anscheinend vermissen auch die Vereinsmitglieder solche Bilder in den Medien. Anstatt derart blutrünstige Darstellungen zu kritisieren, weil sie jede sachliche Auseinandersetzung mit den Konfliktursachen unmöglich machen, beklagen sich die Bildungsarbeiter von Mohio über unspektakuläre Berichte, die alleine schon deshalb manipulativ seien, weil sie der Öffentlichkeit solche Bilder vorenthalten würden. Auch ansonsten scheint sich der Verein bei seiner Bildungsarbeit vor allem auf das Aufdecken vermeintlicher Medienverschwörungen spezialisiert zu haben. Auf seiner Internetseite ist ein Vortrag von Ken Jebsen gespeichert und mit den Worten kommentiert: »Inhaltlich sehr guter Vortrag, gibt hier […] kleinere Kritikpunkte […], dennoch gute Zusammenfassung«. Aber auch die Ikone der Montagsdemonstrationen kann sicherlich noch von den Mohio-Mitgliedern lernen, die bei dem Versuch, die Welt zu erklären und gleichzeitig Medienkompetenz zu vermitteln, nicht nur auf kopierte Flyer, sondern auch auf fremde Videos zurückgreifen. So bei ihren Vorträgen über das »Geldsystem«, bei denen ein Film eines gewissen Max Block mit dem Titel »Wie funktioniert Geld?« abgespielt wird, dessen Plot schnell erzählt ist: Bei ihrem Versuch, möglichst viel Kapital aus der Erde zu schlagen und hierfür die Menschheit zu versklaven, erfinden außerirdische Wesen das Geld. Ein Exemplar dieser erdfremden Lebensform versteckt sich mit ihren Tentakeln im Video hinter einem Geldinstitut. Auf die Anmerkung hin, dass dies doch eine klassisch antisemitische Symbolsprache sei, erklärte der Vereinsvorsitzende Fabian Kursawe bei einer dieser Filmvorführungen die Angelegenheit zu einer Interpretationssache. Kursawe ist der Meinung, dass es keine Objektivität geben könne, da selbst Kameraobjektive das Bild immer verzerren würden. Anstatt auf die Vorwürfe einzugehen, ergänzte er, nachdem er sich so der Verpflichtung gegenüber der Wahrheit entledigt hatte, dass bis zum 14. Jahrhundert allein die Juden Zinsen genommen hätten, während Muslime bis heute ihr Geld zum Nulltarif verleihen würden, ohne auch nur mit einer Silbe auf das christliche Zunftmitgliedschaftsverbot für Juden während des Mittelalters einzugehen. Am Ende der lehrreichen Stunde forderte er von der Einführung einer Vermögenssteuer bis zur Schaffung einer »komplementären Währung« im Sinne der Schwundgeldtheorie Silvio Gesells allerlei, um das bestehende »Geldsystem« vom Zins zu befreien. Da Kursawes Interpretation zufolge das Zinsennehmen vor allem den Juden eigen ist, versteht er seine Alternativen zur Verbesserung des Geldsystems vermutlich als antijüdische Maßnahmen.
Bildungsarbeit und Medienkompetenzvermittlung bedeutet für Mohio die Sensibilisierung für halluzinierte Verschwörungen und damit Gegenaufklärung. Mit der Kombination aus Naturverbundenheit, Ökofaschismus, Medienschelte und moralischem Antikapitalismus jedenfalls erfreut sich der Verein in den Lehrer- und Direktorenzimmern in Halle und Umgebung großer Beliebtheit. Glauben die Pädagogen hier doch längst, dass man den Schülern etwas Kritisches über das Leben und die Gesellschaft erzählen müsse, anstatt ihnen klassischen Lehrstoff vorzupauken. [kul]
Wahnwichtelrekrutierung im Klassenzimmer
16. Mai 2016 von bonjour tristesse
Was für ein Scheißdreck… Kann man in Richtung Kultusministerium etwas gegen solche Vereine machen?
eine Glühbirne ist keine heisses Obst, Lattenrost keine Geschlechtskrankheit und Theorie der Verschwörung keine Neurose – feynsinn
aber schon klar: ‚es hat nie KZ’s gegeben!‘ oder anders formuliert: ihr habt kein RECHT, unsere Grosseltern dafür zu kritisieren, blind in die Katastrophe geschlittert zu sein! Ihr seid keinen Deut besser, im Gegenteil, ihr Verteidigt den modernen Faschismus aka die Neoliberalen Faschisten aka die transatlantischen NeoCons und deren zionistischen Handlanger auch noch. Ihr seid das Fascho-Pack, da hilft auch keine noch so gebildet klingende Sprache.
Zionistische Handlanger, könntest du das etwas näher erklären?
An die unbekannte Verfasserin/den unbekannten Verfasser und die verantwortlichen Menschen bei „Bonjour Tristesse“,
wir sind auf den Beitrag „Wahnwichtelrekrutierung im Klassenzimmer“ aufmerksam geworden. Natürlich freuen wir uns immer darüber, wenn über unsere Bildungsarbeit berichtet wird und sind dankbar für konstruktive Kritik. Weniger erfreulich fanden wir jedoch, in welcher Art und Weise der Beitrag geschrieben wurde und was uns darin unterstellt wird. Anscheinend sind einige der Punkte, die wir vermitteln wollten, ganz anders aufgefasst worden, als wir es beabsichtigt haben. Um es klar zu sagen: Wir vermitteln keine antijüdischen Maßnahmen und wünschen uns diese auch nicht.
Wir wissen um die Macht der Sprache – und auch um deren Uneindeutigkeit[1]. Insofern sehen wir euren Beitrag auch als wertvollen Hinweis dafür, dass unsere Aussagen nicht immer so wahrgenommen werden, wie wir es beabsichtigen. Wir sind sehr daran interessiert, solche Missverständnisse in Zukunft zu minimieren.
Wir sind außerdem immer bereit, unsere Standpunkte zu hinterfragen und dazuzulernen. Wir sehen vieles am derzeitigen Geld- und Mediensystem kritisch, aber sicher bedenken wir nicht alles. Deswegen wollen wir eure Sichtweise ausführlicher und somit besser kennenlernen und laden euch alle hiermit herzlich zu einem Gespräch ein. Wir sind interessiert an eurer Meinung und an eurer Expertise, wollen gern zu den im Artikel aufgeführten Kritikpunkten Stellung nehmen und konstruktive Kritik für unsere zukünftige Bildungsarbeit berücksichtigen.
Es gibt viele Wege uns zu kontaktieren – wir freuen uns auf eine Nachricht von euch!
Das aktuelle Team von mohio.
[1] siehe z.B. auch das Buch von Elisabeth Wehling „Politisches Framing“ http://www.halem-verlag.de/politisches-framing/
Hinweis:
Diese Einladung zu einem Gespräch verschicken wir auch noch per E-Mail und per Post, so dass es euch hoffentlich auf jeden Fall erreicht.