Unsere Autoren Axel Shamdy und Andreas Reschke mit einem Bericht über die jüngsten Umtriebe hallischer Fußballtraditionalisten gegen den modernen Fußball.
Ende Februar 2015 bewarb der hallische Fußballklub SG Motor über seine Facebookseite ein fünftägiges Fußballcamp, das in den Sommerferien auf dem vereinseigenen »Motorplatz« stattfinden sollte und sich an »fußballbegeisterte Mädchen und Jungen im Alter von sieben bis 14 Jahren« richtete. Organisator des Camps war die Nachwuchsabteilung des Zweitligisten Rasenballsport Leipzig (RB Leipzig). Die Methode höherklassiger Vereine, auf diese Weise talentierte Nachwuchsspieler zu scouten und neue Sympathisanten zu gewinnen, ist keine Seltenheit. Borussia Dortmund hatte im letzten Sommer in Magdeburg einen Ferienkurs angeboten. Der 1. FC Schalke gab in diesem Jahr in Erfurt Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, unter Anleitung professioneller Ausbilder zu trainieren, gleiches gilt für den Hamburger SV in Nordhausen. Die Gemeinsamkeit der erwähnten Städte ist unschwer zu erkennen. Alle liegen in Regionen, die mit attraktivem und erfolgreichem Fußball wenig zu tun haben. Gleiches gilt für Halle. Dort war allerdings die Freude über die geplante Fußballschule der Roten Bullen alles andere als groß. Vielmehr bot die Ankündigung des Camps den »Fußballinteressierten« und Fans des Halleschen Fußballclubs (HFC) die Gelegenheit, einmal mehr »die Heugabeln aus der Scheune zu holen«. (Vgl. Bonjour Tristesse #9 und #16)
Unzweideutige Gewaltandrohungen
Neben dem altbekannten Hass auf den Hauptsponsor RB Leipzigs, dem Getränkehersteller Red Bull aus Österreich, wurde nun auch Motor Halle zum public enemy der hiesigen Fußballfans. Die Vorwürfe, man würde die eigene Spielstätte dem Feind zur Verfügung stellen, wurden vor allem in Internetforen und auf Facebook besonders drastisch erhoben. Drei willkürlich gewählte Beispiele: »Jetzt kommen die Ratten nach halle….pfui«, »ihr verkauft euch an sowas?« und »Geh doch hin da wirst du was erleben kann mir nicht vorstellen das es ruhig bleibt die sollen ihren Dreck in Österreich machen die Pisser« [Schreibweise wie im Original]. Nur allzu klar, was dies meint: Einschüchterung und unzweideutige Gewaltandrohung. In Sachen Fußball ist man sich in Halle einig, die eigene Scholle gegen unliebsame Fremde zu verteidigen und vermeintliche Nestbeschmutzer, wie den SG Motor, zu bekämpfen. Angesichts der massiven Gewaltandrohungen sahen sich die Verantwortlichen des Vereins nicht mehr in der Lage, die Sportanlage für RB Leipzig zur Verfügung zu stellen. Aus Sorge um die Sicherheit der eigenen Mitglieder und Sportler sowie um das Vereinsgelände zog der SG Motor das Angebot zur Nutzung seiner Sportstätte zurück.
Auf Facebook wurde dem Verein zur Absage gratuliert. Er sei, so der allgemeine Tenor, doch noch zur Einsicht gekommen: »Ihr habt euch besinnt[!]. Gott sei dank«. Zwar feierten sich die Fußballfans gegenseitig dafür, dass ihr »Protest« etwas bewirkt habe und sie die Ehre der Stadt und die eigenen Kinder vor den Verführern gerettet hätten. Die Begründung für die Absage des SG Motor wollten sie dennoch nicht gelten lassen. Nicht die Bedenken um die eigene Sicherheit hätten der Grund sein sollen, sondern, so ein weiterer Facebookplauderer, die »Werte von Moral« und »Ethik«. Wenn es in Halle darum geht, die eigene Niedertracht schön zu reden, scheint den Einheimischen jeder Blödsinn recht zu sein.
Nachwuchs in Gefahr!
Nachdem das Gebaren der hallischen Fußballtraditionalisten auch überregional für Schlagzeilen gesorgt hatte, betraten die Lokalpolitiker das Terrain. Am 5. März meldete sich Uwe Loos, überzeugter Schnauzbartträger und sportpolitischer Sprecher der sachsen-anhaltischen Linkspartei zu Wort. Loos beklagte, dass der »Konflikt« nun den »Kindersport« erreicht hätte und forderte, dass mit »aller Härte des Gesetzes« gegen die Gewaltandrohungen vorgegangen werden müsse. Dies klingt zunächst zwar nicht unsympathisch, jedoch forderte der linke Konfliktberater gleichzeitig, dass sich der ungeliebte Leipziger Verein gefälligst mit den Fußballvereinen des Landes »an einen Tisch setzen« und »die Dinge ausdiskutieren« müsse. Loos’ Begründung: »Denn RB Leipzig muss die Arbeit und Talentfindung unserer Vereine respektieren, auch wir in Sachsen-Anhalt brauchen Nachwuchstalente in unseren Vereinen.« Dass sich Lokalpatriotismus und Vernunft gegenseitig ausschließen, ist keine neue Erkenntnis. Dass eine Fußballschule für 60 Kinder die fußballerische Nachwuchsarbeit in Sachsen-Anhalt anscheinend an den Rand des Zusammenbruchs bringt, schon eher. Nicht das Glück fußballbegeisterter Kinder sah Loos in erster Linie gefährdet, sondern das Überleben des Fußballs in Sachsen-Anhalt. Von ihrem Keine-Gewalt-Gerede einmal abgesehen, stand die Presseerklärung des Wittenberger Linksparteifunktionärs den Internetbeiträgen der HFC-Gemeinde in nichts nach.
Wenige Tage später ergriff der hallische Oberbürgermeister Bernd Wiegand die Initiative. Die Mitteldeutsche Zeitung (MZ) vermeldete am 11. März, dass das »Nachwuchscamp von RB Leipzig doch nach Halle« kommt. Die Idee des Stadtoberhauptes war es, ein Quasi-Dorffest unter dem Namen »Mitteldeutsche Fußballwoche für Toleranz« zu veranstalten. Dort sollten »möglichst viele Vereine aus der Region« sowie Rasenballsport Leipzig teilnehmen. Als Austragungsort wurde der Erdgas-Sportpark auserkoren, ein kommunales Stadion in das sich auch der HFC eingemietet hat. Damit sahen sich die Liebhaber des bodenständigen Lederkugelsports erneut in die Defensive gedrängt. Im »eigenen Wohnzimmer« und vom städtischen OB »verraten«, holten sie zum Gegenschlag aus.
Jargon des Futterneids
Als geeignetes Mittel wählte man zunächst die Internetplattform openpetition.de, wo man unter dem Aufruf »Kein RB Leipzig Trainingscamp in Halle – Der Tradition verpflichtet« eine Kampagne startete. Im Begründungstext wurde in altbekannter Eigentümlichkeit die Kommerzialisierung des Fußballs angeprangert und sich auf »Bodenständigkeit« und »Tradition« berufen. Überdies wurde den Leipziger Fans »Weichheit« attestiert, was wohl bedeuten soll, dass die Anhänger des Vereins in den Augen der Hallenser weder echte Kerle noch »Feuer und Flamme« für ihre Mannschaft seien. Das Unterstützen eines Sportvereines ist für die Traditionalisten nicht etwa bloßes Freizeitvergnügen, sondern wird als Pflicht oder gar Berufung begriffen. Dieses diffuse »Höhere«, die Liebe und Verbundenheit zum Verein etc., gilt ihnen als Selbstzweck, ja fast als Daseinsgrund. Es ist daher kaum verwunderlich, welchen Jargons sich vor allem die Ultrafraktion der sogenannten Traditionsvereine bedient. Spieler, Funktionäre und Sympathisanten werden als »Söldner« des Leipziger Vereins dargestellt, um die damit unterstellten Eigenschaften gegen die eigenen traditionellen Werte aufzurechnen. RB Leipzig sei ein künstliches »Produkt«, zu dem »Halle nein« sage. Die Behauptung, dem Verein ginge es gar nicht um den Fußball, wird zwar gebetsmühlenartig wiederholt. Richtig wird sie deshalb trotzdem nicht.
Man braucht nur ein wenig an der Oberfläche zu kratzen, um gewöhnlichen Futterneid ans Tageslicht zu fördern. RB Leipzig würde, so eine häufig vorgebrachte Behauptung seiner Gegner, absichtlich sehr hohe Gehälter zahlen, um auf diese Weise andere Vereine von der Verpflichtung guter Spieler abzuhalten. Dass dieser Vorwurf mit der Realität nicht im Einklang steht, zeigt der Wechsel des RB-Ersatztorhüters Fabian Bredlow zum Halleschen FC, der zuvor bereits bei mehreren Vereinen der Roten Bullen gespielt hatte. Diverse hallische Traditionalisten begrüßten den Neuzugang: Bredlow hätte den »Pfad der Tugend« wiederentdeckt und sei vom Fußballfeind RB Leipzig in den Verein mit dem »Herz am rechten Fleck« gewechselt. Und als ob das nicht schon dämlich genug wäre, legten die Ultras des HFC einmal mehr eine Schippe auf den allgemeinen Wahnsinn drauf. So ließen sie beispielsweise auf ihrer Homepage verlauten, was sie über den Transfer denken: RBL sei ein »Produkt«, eine »Retorte« und »kein Verein wie jeder andere«, weshalb es mit ihm keinerlei Zusammenarbeit geben dürfe. Einmal in Rage geschrieben, schlossen die Psychoanalytiker von der Saalefront aufgrund des früheren Engagements Bredlows bei den Roten Bullen auf schlechtes Elternhaus und fiesen Charakter: »Was für Eltern muss man haben, um so verdorben zu sein.« Die obskure Angst der Gralshüter des vermeintlich bodenständigen Sports, sich am halluzinierten Untergang des geliebten Spiels zu beteiligen, fand in der Forderung »Bredlow, verpiss dich!« ihren erwartungsgemäßen Höhepunkt.
Ein kleiner Sieg des Mobs
Vom 20. bis 24. Juli war es dann soweit, und die »Fußball-Woche der Toleranz« fand ohne größere Zwischenfälle statt. Der HFC führte ein Scouting durch, im Erdgas-Sportpark wurde ein Jugendturnier ausgetragen und im Stadtzentrum wurden Vorträge, Filme und Diskussionen rund um das Wochenmotto veranstaltet. Auch RB Leipzig durfte dabei sein und seine Fußballschule durchführen. Sie fand jedoch nicht, wie ursprünglich angekündigt, im Erdgas-Stadion, der Homebase des HFC, statt. Stattdessen wurde sie, weit abseits des restlichen Spektakels, in den letzten Winkel der Stadt verlegt. Statt unter freiem Himmel zu kickern, mussten die Fußballkids mit der Kicker-Arena Vorlieb nehmen, einer Indoor-Fußball-Halle in Halle-Neustadt. In der Saalestadt störte das niemanden. Eine mögliche Erklärung für die Verlegung des Camps nach Halle-Neustadt, brachte zwar die MZ am 15. Mai indirekt ins Spiel. Der Hinweis auf eine mögliche Störung des HFC bei der Saisonvorbereitung – schließlich fiel der Zeitpunkt des Nachwuchscamps in die Woche vor Beginn der neuen Spielzeit – erweist sich bei näherer Betrachtung jedoch als wenig plausibel. Wie bereits erwähnt fanden in besagter Woche gleich mehrere Fußballturniere in der Sportstätte statt. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Stadt vor den hiesigen Fancliquen einknickte und diese sich aufgrund ihrer massiven Drohungen durchsetzen konnten.
Eine der Diskussionsrunden der »Fußball-Woche der Toleranz« trug den Namen »Was ist Fankultur?«. Was in Halle unter Fankultur verstanden wird, haben die Fans des HFC in der Vergangenheit oft genug gezeigt: Rumasseln, Saufen, Pöbeln und gegen vermeintliche Volksschädlinge die Heugabel rausholen. Die Stadt Halle hat damit genau die Enthusiasten des Vorzeigefußballvereins, die sie verdient. Das dennoch ein paar hallische Fußballfreunde die Vorzüge des Vereins aus Leipzig erkannt haben, lässt sich an der Resonanz erkennen: Die Fußballschule der Roten Bullen in der Kicker-Arena war trotz der widrigen Bedingungen komplett ausgebucht.
Axel Shamdy und Andreas Reschke
[…] [Bonjour Tristesse] Volkssport Bullenjagd: https://bonjourtristesse.wordpress.com/2015/10/19/volkssport-bullenjagd/ […]
ja, genau wegen solcher „traditionsfans“ bin ich auf RBL aufmerksam geworden – und ein fan von ihnen!
Genau Chris. Dem ist nichts hinzuzufügen
Mal davon ab, dass die Story so unaktuell wie der Schnee von 2014 ist, sollte man sich doch mal etwas genauer mit dem Leipziger Projekt befassen. Über Strukturen, Mitspracherechte, Zusammensetzung der Leitungsebene, Ziele des Ganzen. Es gibt mittlerweile, fernab jeglicher Ultra- Bewegungen, genügend seriöse Kritiker bzgl. RaBa L. (Beispiel: „MZ“ Halle, 20.3.2015). Übrigens, einen 1.FC Schalke04 gibt es nicht. Wenn ihr diesen ruhmreichen Club im falschen Artikel und Zusammenhang schon erwähnt, dann doch bitte richtig. Glück auf, Einer von 140.000!
Liebe Sportsfreunde Shamdy und Reschke!
Darüber hinaus, dass ein 1. FC Schalke in der Tat nicht existiert, wirkt es recht wohlfeil, eher: dümmlich, um einer lauen Pointe willen Tatsachen zu verfälschen.
„Die Gemeinsamkeit der erwähnten Städte [Hamburg und Gelsenkirchen-Schalke] ist unschwer zu erkennen. Alle liegen in Regionen, die mit attraktivem und erfolgreichem Fußball wenig zu tun haben.“
So ein „Scheiß“ bzw. „Scheißdreck“ (Rudolf Völler)! Die Ruhrgebietsvereine Schalke und Dortmund spielen dieses Jahr mangels Erfolg tatsächlich nur Euro-League. Ansonsten empfehle ich einen Blick auf die aktuelle BL-Tabelle.
Aber da ihr’s gut meint und in der Sache natürlich Recht habt, will ich auch nicht gar zu sehr schimpfen.
Zumal ich in einem Berliner Bezirk wohne, der hauptsächlich von St. Pauli-Linksdeutschen (kann ich deren Ultras nicht noch für den Sodann-Preis nachnominieren, bitte, bitte!) bevölkert wird, lasse ich mal Gnade vor Recht ergehen.
Bewerbungstexte:
http://basch-fanzine.de/basch-33-bullen-aus-der-kurve/
http://basch-fanzine.de/aus-der-basch-57-zum-thema-rb-leipzig/
In diesem Sinne,
Go RB go!
Thaddel
Ich weiß, das man von klarinettenspielenden Weichtieren nicht unbedingt erwarten kann, das sie lesen können. Deshalb eine Erklärung, was da im Text steht: Wenn dort von Städten die Rede ist, die nicht für attraktiven Fußball bekannt sind, sind damit nicht die Herkunftsstädte der Erstligavereine gemeint, sondern die Käffer, in denen die Nachwuchscamps stattfinden: Halle, Magdeburg, Erfurt und Nordhausen. Beim nächsten Mal die Tintefischaugen einfach aufmachen, bevor man anderen Leuten Dümmlichkeit und Tatsachenfälschung vorwirft.
Conclusio des BASCH-Artikels vom 28. April 2015:
(käme doch noch als Nach-Nomierung rein, oder?)
„Wir müssen unseren Spielern zeigen, dass wir zu ihnen stehen, weil sie das Trikot des FC Sankt Pauli tragen. Das Trikot eines Vereins, der sich nicht über sportliche Erfolge oder wirtschaftliche Potenz definiert, sondern seine Kraft aus der Verbindung von Fans, Spielern und Stadtteil schöpft.“
Ersetze „Trikot“ durch „Ehrenhemd“, „Verein“ durch „Volk“, „wirtschaftliche Potenz“ durch „Spekulanten“, füge ein „Kraft durch Freude“, ersetze „Stadtteil“ durch „Volksgemeinschaft“. Passt.
St. Pauli – mir grauts vor dir.
Go RBL go!
Ersetze “Trikot” mit “SS-Uniform” , “Vereins” mit “Judenhassers”, “wirtschaftliche Potenz” mit “Menschlchkeit”, ersetze “Stadtteil” mit “Rassenhass” und füge ein “St.Pauli’s Ziel ist die Vernichtung Israels”. Passt.
Unglaublich. St. Pauli mir grauts vor dir.