Wie der Rest der Republik lieferte auch Leipzig in diesem Sommer seinen Beitrag zur antisemitischen Graswurzelbewegung. Das Leipziger Komitee für Israelkritik nennt sich AK Nahost und war, bis es diesem dann doch zu schmuddelig wurde, Teil des örtlichen SDS, der Studentenorganisation der Linkspartei. Sein Kopf, Katja Janßen, organisierte unter dem Motto »Solidarität mit Gaza – Stoppt die Besatzung« am 17. Juli eine Kundgebung, bei der sie und andere laut Uniradio Mephisto »auf die palästinensische Sicht des Konflikts aufmerksam« machten. Anschließend formierte sich aus den Kundgebungsteilnehmern eine aggressive Spontanmeute, die die »palästinensische Sicht des Konflikts« mit Rufen wie »Kindermörder Israel«, »Scheißjuden« und »Allahu akbar« vortrug und protestierende Israelfreunde mit wüsten Drohungen und Flaschenwürfen bedachte.
Der israelkritische Aktionismus nahm damit kein Ende. In den nächsten Wochen tauchten an vielen Orten der Stadt antizionistische Schmierereien auf. In der Nacht vom 11. auf den 12. August sprühte eine junge Frau Schablonengraffiti mit der Aufschrift »Boycott Israel« an die Außenfassade des linken, als israelsolidarisch bekannten Hausprojekts B12. Als sie bemerkte, dass sie von einem Hausbewohner beobachtet wurde, ergriff sie überstürzt die Flucht und hinterließ einen Beutel mit Schablonen und einen Briefumschlag. Darauf der Name Katja Janßen.
Als einer der Hausbewohner der B12 versuchte, Strafanzeige zu erstatten, wurde er von mehreren Bewohnern unter Druck gesetzt, davon abzulassen. Um dem Schweigegebot des Hauses Nachdruck zu verleihen, wurden dem anzeigewilligen B12-Bewohner die Beweismittel vorenthalten. Statt einer Anzeige lancierte die B12 drei Wochen nach dem Vorfall eine Erklärung, in der das Hausprojekt auf den antisemitischen Charakter des AK Nahost und seiner Vorsteherin hinwies. Abschließend heißt es dort: »Beim AK Nahost und seinen SympathisantInnen kann es sich nicht um Bündnispartner handeln. Sie haben nicht nur aus allen politischen Zusammenhängen herauszufliegen; ihnen ist definitiv das Handwerk zu legen.«
Der einschlägige Duktus und die Tatsache, dass sich außerhalb der linken Szene Leipzigs niemand für das verwohnte Hausprojekt in der Braustraße interessiert, legen nahe, dass sich der Appell der B12 an die zusehends schwindende Klientel richtet. Mit der angeblichen Israelsolidarität des Leipziger Linksmilieus scheint es jedenfalls nicht weit her zu sein, wenn die B12 ihm die Selbstverständlichkeit einbläuen will, dass der antisemitisch gesinnte AK Nahost kein »Bündnispartner« sei – und man diese Botschaft mit einem kaum verhohlenen Aufruf zur Szenejustiz verbindet. Dass der AK Nahost immer noch unter die Milieugerichtsbarkeit fällt, bezeugt, dass zwischen den israelsolidarischen Linken der B12 und den antizionistischen Linksauslegern vom AK Nahost sehr wohl ein politischer Zusammenhang besteht. Lieber bewahrt man die Rosa-Luxemburg-Stipendiatin Janßen vor juristischen Unannehmlichkeiten, als sich gegenüber der angeblich israelsolidarischen linken Szene Leipzigs die Blöße zu geben, eine linke Hamas-Sympathisantin der sächsischen Klassenjustiz ausgeliefert zu haben. [muk]
Anna & Arthur, Katja & die B12
30. März 2015 von bonjour tristesse
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