Der Arbeitskreis que(e)r einsteigen des hallischen Studierendenrats veranstaltet seit einigen Jahren Vorträge von Wissenschaftlern für angehende Wissenschaftler rund um die Queer-Theorie. Zum diesjährigen »Internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie«, der im Mai stattfand, haben sich die AK-Mitglieder_innen etwas ganz Neckisches einfallen lassen. In einem Schreiben vorab informierten sie darüber, dass sie auf dem Marktplatz eine »›diskriminierungsfreie Zone‹« einrichten wollen, in der es – kein Witz – »Spiel, Spaß und Informationen« geben solle. Der Arbeitskreis rief Studierende dazu auf, »typische Alltagsgegenstände« abzugeben, an der die »strikt zweigeschlechtliche Organisation der Gesellschaft« gezeigt werden könne. Die »Kosmetik-Verpackungen« und »Cola-Dosen (der Klassiker: Cola light für die ›Damen‹ und Cola zero für die ›Herren‹)« sollten dann in einer Ausstellung auf dem Markt präsentiert werden. Wie im Aufruf wurde auch am Aktionstag nicht deutlich, was die »Zone« und die Alltagsgegenstände mit einem Kampf gegen Homo- und Transphobie zu tun haben. Ein kleiner Pavillon bildete die »diskriminierungsfreie Zone«, in der einige Gestalten auf Gartenstühlen saßen und sich anschwiegen. Wer hier wovor und vor wem geschützt wurde – vielleicht die Fußgänger auf dem Marktplatz vor den Insassen der Zone, deren Langeweile ansteckend wirkte – war nicht erkennbar. Die Ausstellung beschränkte sich auf ein Regal mit den »typischen Alltagsgegenständen«: Shampoo und Deo für Sie und Ihn, Yogurette (für diese Schokoladensorte würde eine Frau Werbung machen, die auf Diät sei, erklärte eine Ausstellungsmacherin) und Herrenschokolade, Barbies und Spielzeug-Autos. Mit der Unterteilung der Produkte in weiblich und männlich kritisiert der AK que(e)r einsteigen neben der »Rollenverteilung« auch eine Diskriminierung, die weitere Geschlechter betrifft. Die Frage, ob nicht ein Unisex-Deo Abhilfe leisten könnte, so dass alle gleich röchen, beantworteten die Aktivistinnen nicht.
Nun kann man die bunte Warenwelt dafür kritisieren, dass sie Rollenbilder zur Positionierung und Vermarktung ihrer Produkte aufgreift. Mit der gesellschaftlichen Realität hat diese Kritik jedoch wenig zu tun. Nicht nur in der Kleidung haben sich Frauen und Männer stark angeglichen, auch die Frisuren sind häufig ähnlich. Prototyp des Erscheinungsbildes sind die Queer-Aktivistinnen mit ihren Military-Frisuren und ihren ausgebeulten Armyhosen sowie verwaschenen T-Shirts selbst. Nicht nur das Äußere zeigt, dass man nicht mehr von einer »strikt zweigeschlechtlichen Organisation der Gesellschaft« ausgehen kann. Die Chancen, sich erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt durchzusetzen, sind für Mann und Frau nahezu gleich. Und auch die Kindererziehung muss schon lange nicht mehr nur an Mutti hängenbleiben: Auch Vati darf im Elternjahr zuhause bleiben, und ihm werden sukzessive die gleichen Rechte zugesprochen. Der AK que(e)r einsteigen kritisiert etwas, das es nicht mehr gibt. Die Queeristinnen jagen einem Phantom hinterher und nennen es ihren Beitrag gegen Homo- und Transphobie. Wir wünschen: Waidmanns Heil! [msd]
Phantomjäger_innen
2. Januar 2014 von bonjour tristesse
Man hätte diesen queeren Zirkus auch problemlos kritisieren können, ohne sich noch am Ende mit der blödsinnigen Behauptung lächerlich zu machen, es gäbe keine Geschlechterdiskriminierung mehr. So macht man seine Kritik zugunsten zwanghafter Originalität unseriös.
Sicher bedürfte der angesprochene Punkt einmal einer genaueren Ausführung bzw. ernsthaften Diskussion, aber die Bemerkung entspricht auch meiner Einschätzung. Wenn man sich die Mühe macht, die axiomatisch verbreiteten Milchmädchenrechnungen von que(e)r_einsteigen & Co. auf ihren Realitätsgehalt zu überprüfen, fällt auf, dass es heute viel einfacher ist, geschlechtsabhängige Ausgrenzung zu erfahren, wenn man eine flti-Veranstaltung im VL besuchen möchte, als wenn Frauen sich auf einen Studienplatz oder einen Job bewerben.
„Nicht nur das Äußere zeigt, dass man nicht mehr von einer »strikt zweigeschlechtlichen Organisation der Gesellschaft« ausgehen kann. Die Chancen, sich erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt durchzusetzen, sind für Mann und Frau nahezu gleich.“
OMG ROFL ROFL wäre hier vermutlich die intellektuell angemessenste Form der Reaktion. Diese Aussage ist so dermaßen abwegig, dass es schmerzt. Angesichts der Bürgerlichkeit des Bonjour Tristesse-Umfelds und ihres Denkens (Ideologie!) ist allerdings nicht viel mehr zu erwarten.
Ansonsten gilt bei aller notwendigen Kritik an manchen Aussagen und Theoremen von „queer_einsteigen“ auch hier: In einer Gesellschaft, in der diejenigen, die sich irgendwie kritisch zu den herrschenden Verhältnissen positionieren, an ein paar Händen abzuzählen sind, ist es natürlich von größter Wichtigkeit, dass „Ideologiekritiker“ aus „dem Hort der Aufklärung“ gerade die paar Hanseln dumm machen.
P.S.@ Stimme frisst Feuer: Dass ein paar angetrunkene BT-Mitglieder von der Kneipencrew nicht in ein nicht-öffentliches Homo-Queer-Selbsthilfetreffen im VL gelassen wurden (es handelte sich mitnichten um eine „Veranstaltung“), ist natürlich ganz schlimme Diskriminierung. Offensichtlich ist den Betreffenden ihr Auftreten vor Ort immer noch nicht peinlich, wenn sie es hier eingeschnappt aufführen.
Wird die VL-Bar nun auch noch zur alkoholfreien Zone erklärt werden, oder warum sollte es jemandem peinlich sein, dort angetrunken aufzutreten?
Hä?
Gibts im VL zur Vokü Schnitten?