Als wir die Bonjour Tristesse vor anderthalb Jahren einstellten, hielten wir uns eine Notfalloption offen: Wenn sich die regionalen Verhältnisse so verschlechtern sollten, dass ihre Kritik nicht mehr auf einem Flugblatt Platz hat, so hieß es damals sinngemäß, würden wir das Heft reaktivieren. Dieser Fall ist nun eingetreten. Die Lage hat sich katastrophal zugespitzt: Die Flut aus dem Osten, die diesmal nicht auf Pferden und Panzern, sondern in Form des Hochwassers gekommen ist, hat die Saalestadt zu vernichten und insbesondere Halle-Neustadt in ein neues Atlantis zu verwandeln gedroht. Am 6. Juli werden Neonazis durch Halle ziehen, die Macht im Rathaus übernehmen, ein beispielloses Terrorregime errichten und den allseits beliebten NPD-Schornsteinfeger Lutz Battke (genau, den mit dem sympathischen Vokuhila und dem Hitlerbärtchen) zum Kaiser von Halle krönen. Und Ende des Jahres wird schließlich das örtliche Gesundheitssystem zusammenbrechen, weil die Landesregierung die Universitätsklinik schließen will: Die medizinische Versorgung der Hallenser wird dann von Medizinmännern aus dem Saalekreis übernommen, die ihre Patienten in den Hinterzimmern örtlicher Nagelstudios und Bubble-Tea-Läden behandeln. Das alles suggerieren zumindest, je nach Aufgabenbereich, zivilgesellschaftliche Initiativen, Katastrophenschutz, Studierendenrat, Bürgermeister, Rektor, Mitteldeutsche Zeitung, Proteststudenten, Halle-TV und diverse Pfaffen. Wir sind da skeptischer. Die Redaktion der Bonjour Tristesse hält weder etwas von Katastrophenstimmung noch von Katastrophensehnsucht. Wir wissen nicht, ob sich die Lage tatsächlich zum Negativen verändert hat, und es ist uns letztlich auch egal. Was wir wissen, ist allerdings, dass es ein Fehler war, den Neustart des Heftes an eine Verschlechterung der Situation zu knüpfen. Denn schließlich kann man sich nicht vorher aussuchen, ab wann man es nicht mehr aushält. Beispiel Familienfeier: Man entscheidet sich nicht, die lieben Verwandten irgendwann anzuschreien, sondern wird durch ihr unerträgliches Geplapper dazu genötigt: auch dann, wenn man sich vorher fest vorgenommen hat, diesmal nichts zu sagen. Ganz in diesem Sinn sehen wir uns schon durch den schlichten Vollzug des Normalzustandes genötigt, die Bonjour Tristesse zu reaktivieren. Wir sind also wieder da, Ihr Idioten!
We are back! Editorial zum Neustart
26. Juni 2013 von bonjour tristesse
Veröffentlicht in Zeitung | 3 Kommentare
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Na endlich! Welcome back!
Oder frei nach Marx: zunächst war die BJ nur eine Tragödie, demnächst wird sie ganz sicher zur Farce. Tritt man auf dem Höhepunkt nicht eigentlich ab? Oder gab es bei euch einen Putsch?
Freue mich schon wahnsinnig auf eine neue Runde Volxkritik.
Toll dass ihr zurück seid, Eure Texte bedeuten mir viel!