Bei den Protestaktionen in Magdeburg gegen den alljährlichen Naziaufmarsch im Januar setzten in diesem Jahr linke Aktivisten ihre Verfasstheit mal wieder mit einer Faschingseinlage in Szene. Im letzten Jahr gerierte sich eine Gruppe von Antifaschisten als Lageropfer, indem sie mit KZ-Häftlingsuniformen, grau angemalten Gesichtern, aneinandergeketteten Füßen und einem Transparent mit der Aufschrift »Für das Erinnern – Wir trauern um jeden Menschen, den wir an den Faschismus verlieren« auftraten. In diesem Jahr setzte sich die Obszönität etwas anders fort: Anstelle von Häftlingskleidung trug man Shirts, die mit Blutspritzern und Hakenkreuzaufdrucken versehen waren, und mimte entschlossen den Deutschen Gruß. In Front des Geschehens kauerten weitere Aktivisten in einer großflächigen Blutlache am Boden. Zum Setting gehörten neben acht geleerten Bluteimern weitere Hakenkreuzgestempelte, die im Hintergrund ein Transparent mit dem Slogan »Gegen das Vergessen, dass Faschismus ein Verbrechen bleibt!« hielten. Da offensichtlich jeder der 19 Aktivisten ein Shirt mit dem verlockenden Aufdruck tragen wollte, verunstalteten sich auch die Transparenthalter mit einem. Die drei Darsteller der Opfer konnten sich den Drang gerade noch verkneifen. Diese makabre Aktion ist nicht nur ein desperater Versuch, das Defizit an Aufmerksamkeit durch einen schauerlichen Effekt zu beheben, sondern eine Imitation des Abschlachtens, welche den Aktivisten einen Lustgewinn verschafft. Hinter dem verbotenen und soeben für die vermeintlich gute Sache befugten Biss in den verheißungsvollen Apfel verbirgt sich nicht weniger als der eigene Wunsch loszuschlagen, zu quälen und zu töten. Fasching ist eben doch nicht lustig! [sis]
Faszination Faschismus
26. Juni 2013 von bonjour tristesse
Veröffentlicht in Zeitung | 2 Kommentare
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verzeiht mir bitte die korinthenkackerei, aber ‚aufmerksamkeitsdefizit‘ bezeichnet nicht den (subjektiven) mangel erhaltener aufmerksamkeit, sondern das unvermögen, selbige für länger auf ein objekt zu richten. nichtsdestotrotz: schön, wieder von euch zu lesen!
Ihr schreibt: „Hinter dem verbotenen und soeben für die vermeintlich gute Sache befugten Biss in den verheißungsvollen Apfel verbirgt sich nicht weniger als der eigene Wunsch loszuschlagen, zu quälen und zu töten.“
Bin ich anderer Meinung. Ich würde im Gegenteil sagen: dahinter verbirgt sich der eigentliche Wunsch, sich als verfolgte Unschuld im Schlamm aus Masochismus und billiger, kindischer Pathetik (virtueller) Opfer zu inszenieren.