Als Ende des Jahres 2008 zwei Dessauer Polizisten vom zuständigen Gericht vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung des in Sierra Leone geborenen Oury Jalloh freigesprochen wurden, war nicht nur das antirassistische Who-is-Who über die Entscheidung empört. Auch die Presse skandalisierte das Urteil bundesweit. Beide ignorierten dabei mehrheitlich, dass der für den Freispruch verantwortliche Richter Steinhoff in seiner Begründung in aller Deutlichkeit monierte, dass diese Entscheidung nur aufgrund der Lügen und der Mauertaktik der befragten Polizisten zustande kam und damit keine Aufklärung im Rahmen des Verfahrens möglich gewesen sei. Eine Aussage, die in deutschen Gerichtssälen Seltenheitswert haben dürfte und Staatsanwaltschaft und Nebenklage geradezu aufforderte, mit einer Revision das Urteil anzufechten. Die antirassistische Szene sah das jedoch ganz anders und griff Steinhoff als Teil eines „staatlichen Rassismus“ an, ohne selbstverständlich irgendeinen Nachweis dafür anführen zu können.
Nun hat Anfang 2011 vor dem Magdeburger Landgericht, nach einer Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht, der zu erwartende Revisionsprozess begonnen, was hallischen Antirassisten wieder Leben einhauchte und sie aus ihrem Dämmerschlaf erweckte. Berauscht von der Rückgewinnung des Hauptagitationsfeldes der letzten Jahre, zeigte man sich für diese Fügung des Schicksals dankbar und nahm die vorübergehend eingestellte Nachweisführung eines rassistischen Konsens’ in Deutschland wieder auf. Doch anders als im Vorfeld des ersten Prozesses, als antirassistische Gruppen noch einen nicht zu unterschätzenden Anteil daran hatten, dass es überhaupt erst zu einer Hauptverhandlung gegen die angeklagten Polizeibeamten gekommen war, ist deren Aktivismus schon im Verlauf der ersten Instanz zur bloßen Folklore verkommen. Schlimmer noch: Mehr als zu Beginn des gerichtlichen Klärungsversuchs sind große Teile des Spektrums von einer realistischen Einschätzung des Falles mittlerweile so weit entfernt, wie Saudi-Arabien vom Gewinn der Hundeschlitten-Weltmeisterschaft.
So sprach im März 2011 einer der hallischen Antira-Häuptlinge in der Radiosendung „Linker Medienspiegel“ beim freien „Radio Corax“, unter namentlicher Nennung der Angeklagten, von einer „Ermordung“ Oury Jallohs. Weniger justiziabel, aber weithin sichtbar, agitierten die Vertreter direkter Demokratie, also der Willkürherrschaft, schon vorher mittels Plakaten – „Oury Jalloh – Das war Mord!“ – und versuchten mit dieser, aus anderen Zusammenhängen nicht ganz unbekannten und gänzlich unkomplexen Parole, einsame Seelen für den Kampf für die gute Sache zu gewinnen. Es wäre jedoch zu einfach, in der Behauptung „Mord!“ lediglich die Unkenntnis juristischer Fachbegriffe oder einen geschmacklosen, aber bewusst eingesetzten Eyecatcher zu sehen. Vielmehr transportiert die Unterstellung einen Aufruf zur Rache, zum Losschlagen, zur Lynchjustiz.
Denn je weniger sich im Prozessverlauf eine rassistische Judikative belegen ließ, desto vehementer musste auf Glaubensbekenntnissen, wie denen des Mordes, beharrt werden. Je stärker diese Radikalisierung auf allgemeine Ablehnung stößt, umso mehr gilt dies wiederum als Beweis der Richtigkeit des eigenen Denkens. So nimmt die zunächst durchaus wichtige Parteinahme für einen, für den sich zunächst niemand interessiert hatte, in der Transformation zur Einschätzung gesellschaftlicher Realität die Form einer Verschwörungstheorie an. Nur wer nichts anderes als eine rassistische Mehrheitsgesellschaft denken kann, erklärt abweichende Einschätzungen per se zur Kollaboration im Dienste des Rassismus. Seien es langjährige Unterstützer, seien es die über den Prozess berichtenden Medien oder all jene, die sich halbwegs im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte befinden. Der Antirassist glaubt an den rassistischen Staat wie der Dalai Lama an die Wiedergeburt.
Jedes Mittel scheint recht, um sich vor einer Realität zu schützen, die nicht in das eigene Schema passt. Das Bedürfnis ist offenkundig, das Gesetz angesichts eines bisher weitgehend ungeklärt gebliebenen Todesfalls selbst in die Hand zu nehmen. Den „Mörder“ zur Strecke zu bringen, wohl wissend, dass einer eines rassistischen Mordes Beschuldigter sogar in Sachsen-Anhalt einer hohen gesellschaftlichen Ächtung unterliegt, ist Ziel jeglicher Agitation. Motivation und Sinn dieses Handelns sind jedoch vom Ziel zu abstrahieren, denn sie sind im Individuum selbst angelegt. Individueller Seelenfrieden, ja ganze Aktivisten-Biografien stehen auf dem Spiel. Nur das erklärt den Fanatismus. Recht zu behalten ist die hauptsächliche Antriebskraft, nicht der schreckliche Tod eines Menschen, nicht der zweifellos widerwärtige Korpsgeist Dessauer Polizisten, nicht die katastrophalen Zustände, die zum Tod Oury Jallohs führten. Mord verjährt nicht, und wer Mörder ist, bestimmt die „Initiative Oury Jalloh“. Das Leben und Wirken der letzten Jahre wäre sinnlos, würde man sich eingestehen, dass es in Deutschland, und das hauptsächlich im Osten, zwar eine nicht zu unterschätzende Zahl rassistischer Gewalttaten gibt, von einer rassistisch geprägten Mehrheitsgesellschaft, die deutsche Antirassisten bei Strafe des Untergangs herbeireden, jedoch nicht die Rede sein kann. Wer anderes behauptet, ist entweder Ideologe, komplett bekloppt oder wohnt in der Sächsischen Schweiz. Nur letzteres ist auszuschließen. (mab)
jaja, der linke Mob, der immer noch an das Märchen vom Rassismus glaubt… Wo doch deutsche Gerichte so bekannt dafür sind, bei Prozessen gegen Polizeibeamte immer in bester rechtstaatlicher Manier sorgfältig abzuwägen. Und wo die Einsatzprotokolle nun mal „verschwunden“ sind, kann man ja nun mal leider nicht sagen, was genau passiert ist… Da wird der Typ sich doch wahrscheinlich eher selber angezündet haben – nur damit diese stumpfen Antirassisten mal wieder gegen den deutschen Staat wettern können.
Lies den Text und dann wirst du erkennen das dein Kommentar einfach nichts entscheidenes über den dort angeblich referierten Text aussagt.
@Anonymous: „Wo doch deutsche Gerichte so bekannt dafür sind, bei Prozessen gegen Polizeibeamte immer in bester rechtstaatlicher Manier sorgfältig abzuwägen. Und wo die Einsatzprotokolle nun mal „verschwunden“ sind“
Text „Mord ist ihr Hobby“: „dass der für den Freispruch verantwortliche Richter Steinhoff in seiner Begründung in aller Deutlichkeit monierte, dass diese Entscheidung nur aufgrund der Lügen und der Mauertaktik der befragten Polizisten zustande kam und damit keine Aufklärung im Rahmen des Verfahrens möglich gewesen sei.“
Sprich im Text wird angesprochen, dass es von Seiten der Polizei gerade zu keiner rechstaatliche Ermittlung kam, aber dies liegt halt nicht am Richter , der gerade dies moniert, da er nur mit dem arbeiten kann was ihn vorliegt und nicht auf Vermutungen, dies ist halt das Gegenteil von Willkür. Der Mob entgegen handelt willkürlich, weshalb er Behauptungen zur Wahrheit erhebt und sich keine Zeit lässt sich der Sache anzunehmen, sondern sogleich losschreit ohne wirklich zu wissen was passiert ist.
@Anonymous: „Da wird der Typ sich doch wahrscheinlich eher selber angezündet haben“
Kannst zeigen wo das im Text steht? Nur weil sie nicht mit schreien, dass es Mord war, sondern schlicht und einfach aus der allgemeinvorliegenden Faktenlage nicht den Schluß ziehen können, ob es Mord, Totschlag, schwere Körperverletzung mit Todesfolge, unterlassende Hilfeleistung oder fahrlässige Tötung oder anderes war, steht für dich fest, dass die davon ausgehen, dass er sich wohl selbst angezündet haben muss. Deine Schlußfolgerungen sind wirklich brilliant.
„ob es Mord, Totschlag, schwere Körperverletzung mit Todesfolge, unterlassende Hilfeleistung oder fahrlässige Tötung oder anderes war“ – da ich kein Richter bin, ist mir die juristische Bestimmung der TötungsABSICHT relativ schnuppe. Allerdings spricht viel dafür, dass Oury Jalloh sich weder selbst getötet hat noch eines natürlichen Todes gestorben ist. Meine Kritik zielte lediglich darauf ab, dass dieser Umstand weniger gewichtig zu sein scheint als die begriffliche Unbestimmtheit derer, die ihn kritisieren.
Ich finde, dass es nicht unwichtig ist um was es sich handelt bzw. was vorgefallen ist um es moralisch, wie auch politisch bewerten zu können. Wer das einfach so abtut, dem geht es nicht um den schrecklichen Tod von Oury Jalloh, sondern vielmehr darum, daraus politisch Kapital schlagen zu können. In dem man von allem absieht, um dadurch größt mögliche Aufmerksamkeit erzeugen möchte, indem sofort und mit absouluter vehemenz der Vorfall als Mord bezeichnet wird.
Bei den Vorwurf rückt automatisch das Opfer indem Hintergrund und die Motivation des Täters, als eine geplante und beabsichtigte Tat rückt in den Fokus, in diesen Fall hält diese als ein Beispiel und Beleg für staatlichen Rassismus her, da in bester sozialwissenschafltich-positivistischer Manier aus einem konkreten Fall (der noch nicht ganz geklärt ist) eine gesellschaftliche Struktur „staatlicher Rassismus“ abgeleitet wird und man dadurch sich gar nicht mehr die Gesellschaft genau anschauen muss, da man seinen empirischen Beweis bereits hat und ihn dafür verwendet seine schon vorher festehende These zu untermauern .
Vielmehr wäre zu kritisieren und sich darüber zu empören, dass so etwas überhaupt passieren kann (das ein Mensch verbrennen muss im polizeilichen Gewahrsam) und zu fordern das es umstandlos aufgeklärt und rechtliche bestraft wird. Dass würde aber bedeuten dass man nicht schon eine Antwort auf die Fragen Wie und Warum („das war Mord“) gibt, bevor man überhaupt eine Frage gestellt hat.
Indem Sinne wäre, wie im Text erwähnt wurde, der Richter nicht als Beispiel für „staatlichen Rassismus“ zu verwenden, sondern vielmehr hätte man sich hinter hin zu stellen und seiner Feststellung und Forderung zu unterstüzen. Das dies nicht geschieht, scheint darauf zu verweisen, dass solche eine seltende Positionierung eines deutschen Richters nicht in der Vorstellung von manchen Antirassisten, eines von oben verordneten staatlichen Rassismus passt und deshalb dennoch als dessen Beweis herhalten muss, damit das Weltbild nicht ins wanken gerät.
Was bitte ist verwerflich daran, für ein politisches Anliegen „größt mögliche Aufmerksamkeit erzeugen“ zu wollen? Und wie soll dies – mangels anderer Ressourcen – von linken Gruppen anders erreicht werden, als durch die Erzeugung moralischer Empörung, wozu sich u.a. ein Begriff wie „Mord“ als Beschreibungen für einen – nicht natürlichen und nicht selbst herbeigeführten und somit von Dritten herbeigeführten Tod eignet?
Wenn Du nicht in der Lage bist, zwischen einer moralischen Anklage und einem „empirischen Beweis“ zu unterscheiden, weil Du voraussetzt, dass Dein Sprachgebrauch automatisch auch der aller anderen Menschen sein muss, kannst Du das schlecht auf andere abwälzen.
Zudem wüsste ich gerne, warum ein Mensch verbrennen „muss“?
Deine Replik bestätigt insgesamt meine Kritik: Staat sich an der Art der Kritik zu stoßen, wird diese in Gänze denunziert. Und wenn es mal einen Richter gibt, der das business as usual kritisiert, kann es natürlich keinerlei staatlichen Rassismus mehr geben, schon klar.
Der Richter kann aber schlecht als dessen Beispiel erhalten, auch wäre staatlicher Rassismus mal genauer zu definieren und zu scheiden von staatlicher-kapitalistischen Handeln, wo Menschen die für dieses System „unbrauchbar“ sind von diesem zu „nicht Lebens-Werten“ degradiert werden, was aber nicht Rassismus sein muss, um genau solche Sache hat sich aber auch Kritik zu reiben möchte sie nicht selbst wieder zu einer Ideologie werden.
Das „muss“ hat sich darauf bezogen, dass es eine zu stellende Frage wäre „Warum ein Mensch in einem polizeilichen Gewahrsam verbrennen muss (bzw. musste)?“. Also wahrscheinlich nicht ganz verständlich von mir ausgedrückt, es bezieht sich eher darauf, warum so etwas überhaupt passieren kann und diese Frage zu verfechten.
Die Art und Weise für ein politisches Anliegen Aufmerksamkeit zu erzeugen, erscheint mir schon als wichtig zu betrachten und zu beachten, weil es auf das Anliegen verweist.
Wenn man erst bei Menschen moralische Empörung verursachen muss, indem man auf Mord verweist und es nicht ausreicht, dass überhaupt jemand sterben musste, der es nicht hätte müssen, lässt mich an die Adressaten zweifeln ob sie denn dann überhaupt dazu in der Lage wären.
Warum kann ich nicht zwischen einer moralischen Anklage und einen empirischen Beweis unterscheiden. Nicht bei mir muss der Tod von Oury Jalloh als Beweis für einen staatlichen Rassismus herhalten, sondern bei der Kampange.
Und ich stoße mich nicht daran, dass es Leute gibt die mit vehemenz sich dafür einsetzen, dass diese Tat / Vorfall aufgeklärt und entsprechende Konsequenzen daraus gezogen werden.
Das mit der Sprache ist schon so eine Sache, ist halt schwierig wenn Begriffe verwendet werden für eine Sache, aber sie nicht zueinander passen, damit tut man letztendlich der Sache endgültig nur Gewalt an und Kritik wird zur bloßen Phrase. Aber weshalb ich dann gleich der ganzen Welt mein Sprachgebrauch aufzwingen möchte ist mir noch nicht ganz klar, aber vielleicht ist es auch dein Wunsch, mir deine Sprache über „Mord“ und „staatlichen Rassismus“ aufzudrängen.
Liebe/r Doktor/in:
„Wenn man erst bei Menschen moralische Empörung verursachen muss, indem man auf Mord verweist und es nicht ausreicht, dass überhaupt jemand sterben musste, der es nicht hätte müssen, lässt mich an die Adressaten zweifeln ob sie denn dann überhaupt dazu in der Lage wären.“
Den letzten Teil des Satzes habe ich ehrlich gesagt nicht verstanden. Wer ist wozu in der Lage? Aber ich denke es ist nicht übertrieben, anzunehmen, dass der bloße Tod eines Flüchtlings in Deutschland eben keine große moralische Empörung hervorruft. Hier von „Tod eines Menschen“ zu sprechen, nimmt der Sache genau die Spezifik, um die es m.E. geht.
„dein Wunsch, mir deine Sprache über „Mord“ und „staatlichen Rassismus“ aufzudrängen.“
Keine Angst, so vermessen bin ich erstens nicht, und zweitens habe ich auch nie behauptet, das auch nur einer der beiden Begriffe verwendet werden soll oder gar muss. Ich habe lediglich dafür plädiert, dass es hilfreich sein kann, sich zu fragen, warum diese Begriffe verwendet werden – anstatt ein aus meiner Sicht legitimes politisches Anliegen aufgrund einer durchaus kritikwürdigen Wortwahl insgesamt zu verurteilen.
„auch wäre staatlicher Rassismus mal genauer zu definieren und zu scheiden von staatlicher-kapitalistischen Handeln, wo Menschen die für dieses System „unbrauchbar“ sind von diesem zu „nicht Lebens-Werten“ degradiert werden“
Das wäre in der Tat mal spannend, hat aber mit dem Artikel, in dem es – wie leider allzu oft in der BT – vor allem um Denunziation geht, nur sehr wenig zu tun.
alles in allem finde ich den text äußerst gelungen und die formulierte kritik auf jeden fall angemessen. jedoch halte ich die negation der these von einer „rassistischen mehrheitsgesellschaft“ für falsch. rassismus äußert sich schließlich nicht nur in den gewalttaten weniger nazis, sondern auch und ganz entscheidend in diskriminierenden äußerungen gegenüber „integrationsunwilligen, gewalttätigen türken“ oder vermeintlich antirassistischen kundgebungen linker kulturrelativisten.
Der Text ist gut, spricht mir aus der Seele. Danke
An die VerfasserInnen des Textes:
Seid Ihr bei Srazzin in die Schule gegangen?
laut einer studie der friedrich-ebert-stiftung teilen zwei drittel der deutschen bevölkerung rassistische ressentiments. klingt für mich nach einer rassistisch geprägten mehrheitsgesellschaft. und die sachlage lässt doch im grunde nur totsschlag oder mord zu, oder sehe ich das falsch?
paix.
Meint der Verfasser mit diesem Text dem Prozess zu helfen? Dann muss ich sagen, dass er gescheitert ist!!! Denn Kritik auf seinem Thron sitzend zu schreiben ist leicht, aber hinunter zu steigen und wirklich selber etwas wertvolles beizutragen umso schwieriger!!! Kurz: Ich glaube, dass die Oury Jalloh Initiativen und Ihre Projekte schon viel bewirkt haben!!! Natürlich kann man nicht immer mit allen Meinungen und Aktionen einverstanden sein, aber sich selbst nur das Maul zu zerreissen, aber nicht vorleben, wie es besser geht, zeugt auch nicht gerade von einem weiten Horizont!!! Wenn du (der Verfasser) es besser machen willst, die Initiativen können jede helfende Hand gebrauchen, aber dein Kommentar ist keine Hilfe!!!