Eine Veranstaltung in und gegen Leipzig
Die linke, manchmal sogar als antideutsch apostrophierte Szene Leipzigs hat ein Problem: Alle, die sich ihr zugehörig fühlen, sind von einer tiefen Sehnsucht nach Harmonie erfüllt, alle suchen nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner und sind wild entschlossen, einander zu respektieren. Das funktionierte bis zum Oktober 2010 scheinbar recht gut, seither ist das „Modell“ Leipzig nicht nur öffentlich blamiert, sondern auch für immer erledigt. Denn wo man sich Harmonie verordnet, obwohl einen außer Szene-Partys, einem Szene-Jugendzentrum und vor den Toren der Stadt sich weiterhin tummelnde Nazis nichts verbindet, muss irgendwann dem Kuschelkonsens ein Opfer dargebracht werden. Verordnete Harmonie braucht Abgrenzung und Ausschluss gerade dann, wenn der gegenseitige Respekt den letzten Rest inhaltlicher Verbindlichkeit aufgefressen hat. Respekt und friedliche Koexistenz sind nicht dem Inhalt sondern dem Ton verpflichtet. Entsprechend erfolgte der Beschluss des Conne-Island-Plenums, für eine Veranstaltung mit dem Bahamas-Redakteur Justus Wertmüller den Versammlungsraum nicht zur Verfügung zu stellen, mit der Begründung, dieser bediene sich einer rüden Sprache, beleidige seine Gegner und ziele seinerseits nicht auf Diskussion sondern auf den Ausschluss Andersdenkender. Wer stets auf Kritik mit Gekränktsein reagiert und das auf eine angeblich gefallene Beleidigung zurückführen will, bekundet nur, dass er es nicht aushalten kann, wenn unangenehme Wahrheiten fallen. Die Gekränkten sind es dann ihrerseits, die wie auf den Plenen des Conne Islands dutzendfach geschehen, über den gemeinsamen Feind mit stereotypen Verbalinjurien wie „Rassist“, „Sexist“ und „Verharmloser von Vergewaltigungen“ herfallen.
In Leipzig hat sich so nur mit Verspätung vollzogen, was etwa in Hamburg immer schon Konsens war. Man weiß, dass trotz größtmöglicher Toleranz nach innen die Felle wegschwimmen. Immer weniger Leute sind überhaupt noch politisch oder theoretisch – geschweige denn kritisch – aktiv, immer mehr ziehen sich zurück, sind nur noch auf Konzerten und Partys anzutreffen und fahren zum Diskutieren nach Halle, dem einzigen Forum für Kritik in der gesamten Zone. Zugleich wächst bei denen, die weitermachen wollen, als wäre nichts geschehen, der Druck, angesichts des absehbaren Endes einer früher so hochgejubelten, angeblich theoretisch versierten, israelsolidarischen und dabei noch großen Subkultur, sich als Leipziger Linke neu zu erfinden. Alles soll diskutierbar sein, solange es dem Projekt radikale oder „emanzipatorische“ Linke verpflichtet und der damit verbundene gute Ton der Solidarität und des Rühr-mich-nicht-an gewahrt bleibt.
Weil man nicht weiß, was eine emanzipatorische Linke eigentlich sein soll und manchmal sogar darüber erschrickt, wie schnell man in einem Soli-Boot mit der Roten Antifa Duisburg sitzt, die durch einen tätlichen Angriff in Bonn schon einmal gezeigt hat, wie mit dem Provokateur Wertmüller umzugehen sei, ist das linke Leipzig schon jetzt so ewig jung wie die vergreisten Genossen in Hamburg. Die haben schon vor sieben Jahren erkannt, dass alles Böse aus den Berliner Redaktionsstuben der Zeitschrift Bahamas – also von außen – kommt, die sich sogar erdreistet hat, eine Demonstration gegen den linken Antisemitismus in der Hansestadt zu veranstalten. Gegen solche Penetrationsversuche, das ist jetzt auch in Leipzig Konsens, muss man zusammenstehen wie ein Mann. Unter diesen Vorzeichen geht von Leipzigs linker Szene mittlerweile eine nicht zu unterschätzende Bedrohung für Kritik aus, die aus der Geschichte der Linken bekannt sein könnte. Wo die Generallinie durchgesetzt wurde, da wurde der Kritiker als Abweichler und Polemiker gebrandmarkt, weil er den Ruf der Partei geschädigt hätte – jener Partei, die in Leipzig nun ganz fortschrittlich nicht den Artikel der Groß- sondern der Kleinschreibung trägt: nicht Die, sondern die Linke.
Wir wollen der Leipziger Szene keinen Ausweg zeigen und schon gar kein Angebot unterbreiten. Die Veranstaltung „Gegen den linken Konsens“ richtet sich an jene, die genug von den faulen Kompromissen und dem haltlosen Gestammel auf irgendwelchen Plenen haben, die respektlos und harmonieresistent sind und als Kritiker noch etwas vorhaben. Die hohe Zahl von Besuchern aus Leipzig bei den Veranstaltungen in Halle und die stetig wachsende Leserschaft der Bahamas in der Stadt stimmt uns so optimistisch, dass wir unseren Freunden und Genossen in Leipzig einen Vorschlag machen wollen: Nehmt die Streitereien über einen im Grunde öden Vorfall aus der linken Provinz als Herausforderung an, dem linken Leipzig in allen seinen Erscheinungsformen – von der Linkspartei bis zum Conne-Island-Plenum, vom Antifa-Frauenblock bis zur Phase 2 – eine Abfuhr zu erteilen. Es ist möglich, einen kritischen Kern in und gegen die Heimatstadt und ihren Szenesumpf zu bilden.
Es sprechen: Justus Wertmüller über das Verhältnis von Polemik und Kritik, Beleidigung und Beleidigtsein. Martin Dornis: Der Stachel der Kritik – Über interessierte Missverständnisse. Sören Pünjer über die Scheu vor den Konsequenzen – Israelsolidarität als Instrument linker Modernisierung.
Freitag, 21. Januar 2011. 19 Uhr.
Alte Schlosserei, Kurt-Eisner-Straße 66, Leipzig
Eintritt: 2€
Eine Veranstaltung der AG „No Tears for Krauts“ Halle und der Redaktion Bahamas.
…Gesellschaftskritik im Sinne der marxschen Kritik der politischen Ökonomie oder im Sinne Horkheimers und Co. …sich an irgendeinem regionalen Szeneklüngel abarbeiten.
Macht lieber mal wieder Workshops oder Vorträge mit Inhalt und nicht so einen neurotischen Scheiss!
So völlig „respektlos“ wie ihr harmonieresistenten Kritiker euch gegen den beißenden Wind des „linken Konsens“ stellt, wirkt ihr weniger heroisch als vielmehr wie antiautoritär verzogene Schuljungen. Was habt ihr denn noch so vor? Mehr Zeit dafür gäbe es, wenn ihr euren eigenen Plena und Veranstaltungen frühzeitig entschwindet. (Vielleicht dann als Restaurant- oder Buchkritiker?) Wenn man sich dort einfand, wirkte es allerdings recht selten unharmonisch, die wohltuende hallesche Nestwärme empfehlt ihr ja den Leipzigern fast wie eine Heilquelle – als Vaccin gegen linken Szenekonsens taugt sie nicht.
Ich finde es gut so.Und es wird auch zeit diese dinge in Leipzig anzusprechen da gewisse zustände nicht mehr haltbar sind,zumindest für leute die nicht dem heimatschutz connewitz oder ähnlichen kiezmilizen angehören.
Ich freu mich drauf!
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nu endlsch ma was los hiar im kiez. leibsch is ooch nie mähr des wassis ma woar.
Wird es eine Veröffentlichung des Mitschnittes geben??
Wie ihr wisst, war der Saal so voll, dass wir und auch sehr viele andere Leute nicht mehr rein kamen und die Vorträge deshalb nicht hören konnten. Es wär wirklich toll, wenn ihr das online stellen könntet!
eine besonders fundierte „analyse“ der veranstaltung kann man hier nachlesen:
http://aftershow.blogsport.de/2011/01/23/der-ehrbare-rassismus/#comments
ei, das war doch mal wieder ein profilierungsversuch für alle linken , insbesondere für die plenargruppen aus dem conne island umfeld , ein wunder das man es soweit in den süden geschafft hat , raus aus connewitz , und lächerlich zu gleich wie sich hier im eigenen sud gewälzt wird , herrlich , ein treffen aller , die denken es wären die grossen revoluzer und dabei wird jeder vorteil des systems gern angenommen , willkommen in leipzig .
„soweit in den süden“? connewitz ist südlicher.
und mohammed: wer zu spät kommt …
und wenn ja, wird der irgendwo hochgeladen?
[…] der Website der Bahamas sind seit kurzem die Redebeiträge der Veranstaltung Gegen den linken Konsens dokumentiert, die wir nicht vorenthalten […]
Über den Mitschnitt würde ich mich auf freuen.
[…] in Kürze ein zweites Mal sprechen. Andere werden ihm folgen.“ Nun lassen wir uns aus „dem einzigen Forum für Kritik in der gesamten Zone“ (AG „No Tears for Krauts“, Halle) herab, doch anzudeuten, was das eigentliche […]