Wie jeder zweite Teil eines Films ist er schlechter als der erste. Wenn das Ganze dann auch noch eine Neuauflage eines alten Klassikers mit B-Schauspielern ist, bleibt einem nur noch die Flucht. War der Klassiker schon nur mit Popcorn und einem Bier zu ertragen, so ist dieser lediglich im Vollrausch oder durch Abwesenheit zu überstehen. Das wissen auch die Protagonisten des hiesigen Bildungsstreiks. Denn im Unterschied zur Filmindustrie, die bei schlechten Besucherzahlen von weiteren Fortsetzungen absieht, wiederholen sich die Bildungsproteste alle zwei bis drei Jahre, als würden sie in einer Art Endlosschleife laufen. Um diese ständige Wiederholung irgendwie ertragen zu können, trinken sie sich ihren Protest schön. Das Biertrinken und Feiern wäre ja noch das netteste, wenn es nicht in so einer beklemmenden Atmosphäre von übermüdeten Studenten stattfinden würde. Die alles dafür tun, ihr schlechtes Remake sich und anderen schön zu reden. Einwände gegen ihren Sprachgebrauch werden konsequent vom Tisch gewischt. Denn sie meinen es mit Bildungsstreik ernst, sie verweigern sich jeglicher Bildung. Diese würde bedeuten, sich erst einmal einen Begriff von sich in der Gesellschaft und von der Gesellschaft selbst zu machen. In dieser dient auch das Studium nur notwendig der Ausbildung der Ware Arbeitskraft und nicht irgendwelchen subjektiven Interessen. Diese Verhältnisse gelte es zu kritisieren, wenn man über Bildung sprechen wolle. Stattdessen wollen Sie lediglich den nächsten Runden Tisch aus Studenten, Uni-Mitarbeitern und Politikern. Damit sie alle zusammen nach mehr Geld rufen und sich die Hände schütteln können. Die einen schauen sich schon mal ihre zukünftigen Arbeitgeber an, die anderen gaukeln sich vor, bei etwas Historischem dabei zu sein, um ihren Enkeln später etwas Aufregendes erzählen zu können. Das Ganze Getöse der Bildungsprotestler lässt sich auf zwei einfache Forderungen herunterbrechen: mehr Geld und leere Hörsäle. Dies soll dann gleich noch das Patentrezept für eigenständiges Denken und Selbstbestimmung sein. Letzteres versuchten sie schon mal durch fröhliches kochen, trinken und mit Nazis quatschen im Hörsaal umzusetzen. Denn ganz nach 90er-Jahre-Sozialarbeitermanier hatte ein Teil der Bildungsprotestler nichts besseres zu tun, als bekannte Neonazis zum Gespräch zu bitten. Da dies dann noch nicht bei allen Beteiligten Begeisterung auslöste, wurde dieses Ereignis ein paar Tage später im Basis-Plenum besprochen. Bei dieser Diskussion wollte man dann gleich auch noch den protesteigenen Sexisten abhandeln, dieser hatte Studentinnen als „Schlampen“ bezeichnet, welche mal „richtig durchgefickt“ werden müssten. Was selbst bei jeder Bundespartei zu völligem Entsetzen führen würde, rief bei den Protestlern kein einhelliges Entsetzen, sondern die Bereitschaft zur Diskussion hervor. Eigentlich wollte ein Teil die ganze Diskussion nach Mitternacht beenden, da sie für vernünftig Denkende nicht zumutbar ist. Aber die klugen Kommentare der Hobbysoziologen des Bildungsprotests sollten in die Primetime. Ein Jeder, so argumentieren sie, wisse doch, dass man beim Nazi unterscheiden muss, ob er in der Rolle eines Menschen oder eines Nazis handele. Mit dem einen könnte man dann Bier trinken, mit dem anderen eher nicht. Warum auch kompliziert machen, wenn es so einfach geht. Auf was ganz Anderes, genauso Einfaches, aber um einiges Klügeres kommen sie stattdessen nicht: Einfach mal auszuschlafen und einen guten Film zu schauen. (sw)
Studideppen I
21. Februar 2010 von bonjour tristesse
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Schön das sich die Bonjour Tristesse sich auch mit den BS beschäftigt, leider bleibt es bei einen oberflächlichen Wiederkauen der bekannten, wenn auch berechtigten, Kritikpunkten.
Aber der dritte BS kommt und vielleicht kommt dann ein auch wenig tiefgründigere Kritik. Vielleicht dann auch mit ein wenig mehr Inhalt, denn den Leute muss vermittelt werden, dass mensch sich mit Begriffen wie Gesellschaft und Bildung erstmal auseinander setzen muss. Und das lässt sich leichter über Vorträge und Diskussionen erreichen als mit Flyern die krampfhaft versuchen unterhaltsam zu sein (auch wenn es hier der Bonjour Tristesse gelinkt).
„In dieser dient auch das Studium nur notwendig der Ausbildung der Ware Arbeitskraft und nicht irgendwelchen subjektiven Interessen.“
Diesen streng marxologischen Ansatz gäbe es zu überdenken, will man nicht sogleich wieder im Fahrwasser der Streikenden oder sogar an deren Spitze landen.
Der „marxologische“ Ansatz ist überdacht. Wäre er durchgestaltete Gallionsfigur bei den streikenden Idioten, wäre ihr Bildungsstreik vermutlich erträglicher.
Liebe Grüße,
Jean me´Tapher
Da kenn ich mich nicht so aus, ich halte mich nämlich an das Motto: ausschlafen und Film gucken.
Was ich daraus schließen kann, ist aber, dass du an der Spitze landen willst…
[…] sich am bundesweiten bildungsstreik. so wächst zusammen, was zusammen gehört (siehe hier, hier und hier). aus „kauft nicht beim juden“ wird „kauft nicht beim […]