Nachdem es der regionalen Antifa nicht gelungen ist, am 7. November in Halle-Neustadt einen Naziaufmarsch wirksam zu behindern, begaben sich einige der Antifaschisten auf die Suche nach den Schuldigen: Nicht nur ein übertrieben großer Polizeieinsatz und die Verlagerung der Kameraden in einen etwas außerhalb liegenden Stadtteil waren maßgeblich für das Scheitern, sondern die Antideutschen wären, so wurde einhellig in den Kommentarspalten des linken Internetportals „Indymedia“ erörtert, der Grund dafür, dass kaum auswärtige, also Ganztagsantifas den Weg nach Halle fanden. Jemand mit dem Namen „Teilnehmer“ befindet dort nämlich: „Mit eurer Arroganz und eurem Israelfetischismus habt ihr doch schon lange alle autonomen Antifaschisten, die noch einen Naziaufmarsch verhindern können und wollen, vergrault.“ (In allen Zitaten wurden zugunsten einer besseren Lesbarkeit die Rechtschreibfehler behoben und Substantive entgendert.) Deswegen käme keiner mehr nach Halle. Doch einen Ausweg bietet „Teilnehmer“ dennoch: „Denkt mal drüber nach – vielleicht klappt es dann beim nächsten Mal.“ Auch ein weiterer „Indymedia“-User mit dem Namen „Auswärtiger“ sieht die „verblendeten Antideutschen“ als den Grund für das Fernbleiben von Antifa-Aktivisten aus dem Umland an. Und auch er geizt nicht mit sicherlich gut gemeinten Ratschlägen: „Kommt mal wieder klar und lasst die Nationalfahnen zuhause, dann kommen auch mehr Leute!“ So einfach ist das nämlich. Die „verblendeten Antideutschen“ müssen ganz einfach wieder „klar kommen“ und alles weitere regelt sich dann von allein. Jemand anderes, der als „100%“ schreibt, scheint sich bestens mit den Strukturen der Antideutschen auszukennen. Ihre Aktivitäten sind nämlich: „sich treffen, eine Runde durch die City ziehen, was von ‚antinational’ schwafeln und Nationalfahnen schwenken. Hinterher dann einen Text rausbringen, was für dieses Spektrum antinational ist, um die Nationalfahnen zu rechtfertigen und dann wieder nach Hause fahren.“ Solange die „Zustände in Halle“ nicht verbessert würden, so merkt er in bockigem Brustton an, werde er nicht mehr nach Halle oder in andere Orte fahren, „wo israelsolidarische bzw. antideutsche Antifas dominierend sind und sich als was Besseres darstellen. Wenn wir, die antinationale Linke, doch so antisemitisch und scheiße sind, dann macht doch euren Scheiß allein.“ Dies ist genauso schadenfroh gemeint, wie es klingt. Denn weiter: „Gestern habt ihr zumindest gesehen, was ihr davon habt!“ Wenn man sich schon von Antideutschen verfolgt fühlt, muss sich das offenbar auch im Namen widerspiegeln, den man sich beim Kommentieren gibt. „So called antisemit“ nämlich fühlt sich von den hallischen, „vollkommen verblendeten Antideutschen, die jeder Beschreibung spotten“, belästigt, die sich „die allergrößte Mühe [geben] von sämtlichen autonomen Antifagruppen in der Umgebung gehasst zu werden“, womit er wohl zuallererst sich selbst meint. Denn nun geht es mit ihm durch: „Und wenn sie merken, dass sie nur Scheiße erzählen und die Argumente immer mehr zurechtgewürgt werden müssen, dann ist das Gegenüber eben Antisemit – das kennen wir ja schon.“ Die Leute, die wirklich was „reißen, haben einfach die Schnauze voll von den Hallenser Spinnern mit ihrem verschissenen Nationalwahn“. Haben wir da richtig gelesen? „Ja, ihr habt richtig gelesen, Nationalwahn!“ Wirklich großartig wird der Beitrag aber erst am Schluss: „Für euch muss man sich echt schämen!“ Doch nicht alle sind so anti-antideutsch wie die hier genannten. Ja, es gibt sie noch die Differenzierer, wie etwa „Taktiker“, der „nicht wegen der ‚Antideutschen Gruppen’ (Bäh … pfui, pfui, pfui) da hin gefahren [ist], sondern um gegen die Nazis zu kämpfen!“ Oder „Abc“, der den Weg der goldenen Mitte begeht: „Na ja, ob Antideutsch oder Antiimp, ich denke, ihr habt alle ’nen Schaden, eure Meinung auf eine begrenzte Definition herunterzubrechen, anstatt euren Denkprozess ständig neu zu hinterfragen.“ Doch auch „so called antisemit“ gibt den Antideutschen noch etwas mit auf den Weg: „Überdenkt einfach euer Selbstverständnis und eure angepasste Lebenseinstellung“. Vielen Dank dafür! (are)
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