Die Tendenz sogenannter linker „Freiräume“, jeden persönlichen Spleen noch als „politisches Selbstverständnis“ zu vergolden und bisweilen sogar schriftlich begründen, dürfte unseren Lesern bekannt sein. Auch über die hallische Zentrale der Freiraumcommunity, die „Reilstraße 78“, ist dabei eigentlich schon alles gesagt worden (vgl. Bonjour Tristesse Nr. 7). Doch was im Dezember passierte, verdient dann doch unsere Aufmerksamkeit. Und das nicht etwa, weil es etwas Besonderes wäre, sondern weil es tiefe Einblicke in das stumpfe Handeln der Freiraumfamilie ermöglicht. Was Bands und Veranstalter im Einzelnen erleben, die es trotz des wenig ansprechenden Ambientes erwägen, in den Räumen des Hauses eine Veranstaltung durchzuführen, lässt sich von dem, der sich nicht regelmäßig auf den todsterbenslangweiligen „Hausplena“ herumtreibt, nur schwer erahnen. Umso spannender ist es, am Beispiel eines im Dezember 2009 stattgefundenen Konzertes zu sehen, mit welcher Strenge gegen vermeintliche oder tatsächliche Abweichler zu Felde gezogen wird. Kurz zuvor wurde einer Band („Versus the Sky“) wegen tatsächlicher oder befürchteter sexistischer Aussagen der Auftritt verwehrt. Das heißt, die Band reiste an und erfuhr vor Ort, nicht spielen zu dürfen. Ob es sich bei der Entscheidung um die übliche Willkürherrschaft oder um das Ergebnis besonders langwieriger Verhandlungen des „Hausplenums“ handelte, ist derweil nicht überliefert. Wenige Wochen später musste sich eine andere Band bereits im Vorhinein eines Konzertes aufgrund des offenbar schwerwiegenden Vergehens, aus derselben Stadt (Dessau) wie „Versus the Sky“ zu kommen, per E-Mail einige Fragen gefallen lassen. Dabei wird ungeniert die Sippenhaft wieder eingeführt: „Da ihr demnächst bei uns spielt, sind auf unserem Plenum einige Fragen aufgekommen. Konkret geht es dabei darum, dass ‚Versus the Sky’ vor einiger Zeit hier nicht spielen durften.“ Diese hätten „nicht einmal im Ansatz verstanden, worum es uns ging und waren nur sauer auf’s ‚Hippiehaus’.“ Was nicht verstanden wurde, wird leider nicht erklärt. Aber zum Glück geht es ja weiter: „Um nicht noch mal vor der beschissenen Situation zu stehen, am Abend des Auftritts über solche Sachen diskutieren zu müssen, wollten wir von euch kurz wissen, wie ihr das ‚Auftrittsverbot’ der Band bewertet, d.h. wo genau bei euch Sexismus anfängt.“ Wo der Sexismus „genau“ anfängt, würden wir von der „Reilstraße 78“ auch gern „kurz“ erläutert wissen. Gerade jene, deren Begriffslosigkeit so offenkundig ist, dass es schon wehtut, erdreisten sich mit solchen anmaßenden Forderungen. Gerade dort, wo Sexisten mit oder ohne Migrationshintergrund jahrelang ein und ausgingen, sollen nun Bands durch den linksalternativen Nacktscanner. Dort, wo jeder Fragebogen, der an einbürgerungswillige Migranten ausgegeben wird, als schlimmer „Rassismus“ gegeißelt wird, wo jede noch so lächerliche Maßnahme der Behörden, als Ausdruck des „Schweinesystems“ gilt, sollen Mitglieder von Provinzbands durch den alternativen Gesinnungstest. Doch das Geblubber geht noch weiter: „Wir verstehen uns als Haus mit antisexistischen Anspruch und möchten, dass hier Bands spielen, die diese emanzipatorischen Ansichten teilen, damit mensch sich hier wohl fühlen kann (Freiraum!), ohne in Schubladen zu funktionieren.“ Was auch immer damit gemeint ist, so stand es geschrieben. Das Ganze endet mit der ernst gemeinten Aufforderung, „ein paar Texte“ an das Zentralkomitee zur endgültigen Begutachtung zu senden. Sogar der Konzertveranstalter hat sich dem Tugendterror der Reilschen Extremisten schon angepasst. In seinen Mails an Bands, die über seine Agentur in der „Reilstraße 78“ spielen sollen, weist er, damit „euch als Band und uns als Veranstalter Stress und ewige Diskussionen mit den Besitzern erspart bleibt“, vorsichtig darauf hin, „kein Fast-Food-Stuff (McDonald’s, Burger King usw.) mitzubringen, auch wenn es nur ein Pappbecher ist, der schon ausgeschlürft wurde.“ Denn: „Wir hatten da selbst schon ein bisschen Terz. Das muss nicht sein, wenn ihr vorher irgendwo haltet, lasst den Stuff im Auto, aber bringt möglichst nichts ins Haus oder aufs Gelände.“ Der Grund wurde ihm offenbar deutlich eingetrichtert: „Es geht da auch um die kapitalistische Einstellung solcher Läden.“ Weiterhin „kämpfe“ die „Reilstraße 78“ für „Tierrechte“. Deshalb gebe es „rein vegetarisches Essen“. Nach dieser freundlichen Belehrung und dem bestandenen Gesinnungstest durfte die Band dann auch spielen. Doch am Abend des Konzertes verspätete sich das „rein vegetarische“ Catering (sprich: der „antikapitalistische“ Volksküchenschmaus aus gut abgehangenem Gemüse und getrockneten Hülsenfrüchten) erheblich. Um den aufziehenden Hunger zu bekämpfen, aß ein Mitglied der Band in einer Ecke eine im Volksmund als „Bifi“ bekannte Miniwurst. Als ein Reilscher Extremist dies erblickte, wurde umgehend der Veranstalter vor das spontan einberufene Volksgericht zitiert und eine Fatwa erlassen: Die „Reilstraße 78“ sei ein „veganes Haus“, deshalb sei der Konsum einer „Bifi“, auch heimlich in einer Ecke, untersagt. Innerhalb kürzester Zeit herrschte Aufruhr. Nur dem besänftigenden Veranstalter ist es zu verdanken, dass sich die schäumenden Reilisten beruhigten. Die beschriebenen Zustände und die erwähnten Hinweise des Konzertveranstalters über die Sitten und Gebräuche im „Freiraum“ erinnern dabei nicht zufällig an Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes. In diesem Fall ist es die Reisewarnung für das Land der Bekloppten und Bescheuerten. (meh)
Holy War of Vegan Housewives
21. Februar 2010 von bonjour tristesse
Veröffentlicht in Zeitung | 3 Kommentare
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ist nur eine frage: wie steht ihr zur definitionsmacht? habt ihr dazu eine meinung?
Peter:
Sie lustfeindlicher Fatwist halten mal gleich Ihre Fresse. Sie sind Gegenstand des obigen Artikels und haben nicht zu fragen, ob die BT-Redaktion auf Ihrem Ticket unterwegs ist oder nichts gegen den allgemeinen Tugendterror, die Autoritäre wie Sie mit Hilfe des Un-Rechts namens Definitionsmacht gern zur Wirkmacht verhelfen möchten, einzuwenden haben. Sie Meinungsfahnder, Sie linksprekärer verhinderter geheimer Staatspolizist sind ein Feind von Lust und Wahrheit, eine Zumutung. Gehen sie doch bitte fernsehn oder saufen oder lernen sie lesen und belästigen sie nicht arbeitende Leute mit ihrer „nur fragenden“ Gesinnungsschnüffelei, Sie linker Blockwart.
ich habe nicht eine einzelperson aus bern gefragt sondern die gruppe bonjour tristesse.