Eine hallische, nicht weiter erwähnenswerte Nazi-Homepage veröffentlichte vor einiger Zeit ein besonders beeindruckendes Dokument nationalsozialistischer Geistesgeschichte. Das Thema: Red Bull. Warum man sich damit beschäftige, sei so „einfach wie einleuchtend“. Nach Ansicht des Autors werde „seit geraumer Zeit versucht, den Volkskörper zu vergiften“. In der Kombination mit Alkohol sei der bekannte Energy-Drink besonders heimtückisch. Der Schreiber muss Schlimmes erlebt haben. Jedenfalls scheint sein Erfahrungshorizont bezüglich „übermäßigen Konsums“ weit über dem eines gewohnheitsmäßigen Wodka-Red-Bull-Konsumenten zu liegen. „Schlimmstenfalls“, so der offensichtlich erst seit kurzem Geläuterte, verhindere der Konsum „das Bemerken […] erhöhten Harndrangs“. Dieser könne „wiederum zu gefährlichem Flüssigkeitsverlust führen“. Man muss keine überdurchschnittliche Vorstellungskraft aufbringen, um das Missgeschick rund um den „Flüssigkeitsverlust“ zu erahnen, das im Kreise nationaler Aktivisten zum Nachteil des Schreibers für gute Stimmung sorgte. Doch ein Nazi wäre kein Nazi, würde er nicht aus einer subjektiven Kränkung heraus eine Verschwörung halluzinieren. Und sei sie noch so grotesk. Während der nationale Widerstand die Gefahren hinter Red Bull usw. „erkenne“, so der Autor weiter, werde „der deutschen Jugend weiterhin das Märchen vom sorgenfreien Leben vorgelesen, um uns und unseren Widerstand maßgeblich zu brechen“. Es ist müßig, darauf einzugehen, dass der Schreiber nicht in der Lage ist, vernünftige und konsistente Sätze zu schreiben und selbst für die wenigen Zitate der besseren Lesbarkeit halber Korrekturen vorgenommen werden mussten. Es kann auch darauf verzichtet werden, sich darüber zu echauffieren, dass Nazis Nazis sind und – um einen sanften Euphemismus zu verwenden – sich mit einer halbwegs realistischen Wahrnehmung ihrer Umwelt dementsprechend schwer tun. Viel interessanter ist, dass die Beschäftigung mit solchem Unfug zeigt, in welch luftleerem Raum Nazis im Jahr Neun nach dem so genannten Aufstand der Anständigen agieren. Dem Kritiker wäre zwar nicht zu raten, seine Abscheu gegenüber den armseligen Gestalten des nationalen Widerstandes abzulegen. Mitnichten. Jedem Nazi ist das Unangenehmste zu wünschen. Nur ist ein Text über den „geplanten Massenmord am deutschen Volkskörper“, ausgeführt durch das österreichische Unternehmen Red Bull GmbH, der beste Beweis dafür, dass Nazis ihre gesellschaftliche Stichwortgeberfunktion in der BRD nicht nur verloren haben, sondern in diesem Sinne gegenwärtig in etwa so relevant sind, wie der Jugendverband der Grauen Panther. (mab)
Brown Bull
16. September 2009 von bonjour tristesse
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