Als am 16. Januar 200 Menschen eine antisemitische Demonstration mit dem Motto „Stoppt den Völkermord in Gaza“ veranstalteten, regte sich in der hallischen Linken keinerlei Protest. Im Kulturprojekt „Reilstraße 78“ gab es keine konspirativen „Vorbereitungstreffen“, die Berufsantifas des „Miteinander e. V.“ ließen ihre Kontakte zur Polizei und ins Rathaus ungenutzt, und die Trommelgruppe, die sonst jede Kameradschaftskundgebung mit ihrem Krachzeugs beglückt, blieb ebenfalls zuhause. Auch im Stadtrat, der sich sonst für keine „Bunt-statt-braun“-Veranstaltung zu blöd ist, sah man ebenfalls keinen Handlungsbedarf. Was all diese Antifaschisten am 16. Januar davon abhielt, antifaschistisch zu sein, war der Umstand, dass nicht die NPD oder die Kameraden vom „Nationalen Beobachter Halle“ zum Aufmarsch geladen hatten, sondern die migrantischen Volkstumsvereine „Das Arabische Haus/El-Bait El-Arabi e. V.“ und das „Islamische Kulturcenter“. Gerade an diesem Tag hätten die sonst so Mutigen und Couragierten tatsächlich Mut und Courage beweisen und sich nicht nur einem antisemitischen Mob entgegenstellen, sondern auch gegen den antizionistischen Mainstream von „tagesschau.de“ bis zur „Süddeutschen Zeitung“ anstinken können. Doch wenn das arabische und nicht das braune Haus gegen Juden hetzt und das Ganze auch noch „Israelkritik“ nennt, verbirgt sich in den Augen der hallischen Linken dahinter offenbar nur eine kulturelle Eigenart, die es zu verstehen gelte. Unglaublich dämliche Transparente mit Aussagen wie „Israel = Völkermord = Faschismus“, wie sie auf der Demonstration mitgeführt wurden, Bilder von toten Kindern oder Kinder, die dazu missbraucht wurden, Fahnen und in Leichentücher eingewickelte Baby-Leichen-Attrappen umherzutragen, bereiten ihnen zwar gelegentlich die berühmten „Bauchschmerzen“. Über körperliches Unbehagen geht ihre Reaktion allerdings nicht hinaus. Man sei zwar „irgendwie“ mit Israel solidarisch, so ist seit Jahren in den einschlägigen WG-Küchen zu hören, wie man dort aber gegen die Palästinenser vorgehe, sei nun aber wirklich sehr schlimm. „Irgendwie“ könne man deren Wut ja auch nachvollziehen. Wenn Araber, Türken und deutsche Nazis, die in kleiner Zahl offenbar ebenfalls an der Demonstration teilnahmen, gegen den „Kindermörder Israel“ wettern, dürfen sie also durchaus auf das Verständnis einer Linken zählen, die den Juden übel nimmt, dass sie sich nicht mehr zu Opfern machen lassen wollen, derer man an den einschlägigen Gedenktagen feierlich gedenken kann – dass sie sich also gegen den permanenten Beschuss mit Raketen, die gern als „selbstgebastelt“ verniedlicht wurden, zur Wehr setzen.
Unbehelligt von Protesten, Straßenblockaden oder der „Clowns Army“ (siehe Bonjour Tristesse 1/2008) liefen also 200 Israelhasser durch die hallische Innenstadt und riefen etwas von einer „israelischen Killermaschine gegen Frauen und Kinder“. Lediglich 20 Antifaschisten, die kurzfristig von diesem tatsächlich unheimlichen Aufmarsch erfahren hatten, fanden sich zusammen, um mit Israelfahnen zu protestieren. Aus berechtigter Angst um ihre körperliche Unversehrtheit machten sie allerdings einen Rückzieher. Die in geringer Anzahl anwesende Polizei wäre kaum dazu in der Lage gewesen – sofern sie dazu überhaupt willens gewesen wäre –, den aufgepeitschten Mob aufzuhalten. Die lauten „Allahu-akbar“-Rufe („Allah ist größer“) und das aggressive Gebaren der zahlreichen jung-männlichen Hamas- und Hisbollah-Freunde machten nur allzu deutlich, worum es den Demonstranten ging.
Nachtrag: Auch die örtliche „Deutsch-Israelische Gesellschaft“ (DIG) tat wieder einmal nichts um ihren Vereinsnamen zu rechtfertigen. Sie hütete sich davor, die Notwendigkeit der israelischen Selbstverteidigungsmaßnahmen gegen die 200 Israelfeinde auf dem Marktplatz und ihre offenen und heimlichen Sympathisanten zu betonen. Stattdessen verweist sie gern auf ihre Spendenkampagne für Rollstühle für palästinensische Kinder. Nun ist den gehbehinderten Kindern der Westbank und des Gaza-Streifens selbstverständlich jede Verbesserung ihres Lebens zu wünschen. Dass sich die DIG dazu entschieden hat, palästinensische Kinder und nicht die israelischen Kinder von Sderot zu unterstützen, scheint dabei jedoch weniger auf der Überlegung zu basieren, dass das israelische Gesundheitssystem besser ausgebaut ist als das palästinensische. Immerhin ist auch die Krankenfürsorge Kambodschas, Ghanas oder Indonesiens weitaus schlechter als die israelische, ohne dass die DIG Geld in diese Länder transferiert. Die Sammelaktion erscheint vor diesem Hintergrund vielmehr als Versuch, beste deutsche Gesinnung zu demonstrieren. Schließlich betrachtet man den Konflikt genauso „ausgewogen“ wie seine Landsleute – und weiß dementsprechend, dass die eigentlichen Opfer des Konflikts immer die Palästinenser sein müssen.
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