Nachdem der Bürgermeister des sächsischen Kaffs Mügeln, Gotthard Deuse (FDP), bereits im vorletzten Jahr von sich reden machte, glänzte er vor kurzem erneut durch Aussagen, mit denen er seinem Namen anscheinend einen Platz im Duden Synonymwörterbuch – Stichwort „dummdreist“ – sichern möchte. Seine ersten Bewerbungsversuche zur Aufnahme in das Kompendium unternahm er bereits 2007, als er den pogromartigen Überfall eines Mobs auf eine Gruppe von Indern bagatellisierte, die Kritik an seiner Person als Verschwörung westdeutscher Medien halluzinierte (Bonjour Tristesse 3/2007) und zu allem Überfluss im Naziblatt „Junge Freiheit“ verkündete, er sei stolz, Deutscher zu sein.
Anfang März hatte Deuse erneut die Gelegenheit zu beweisen, was aus ihm denkt. Wieder waren zwei Inder tätlich angegriffen worden, eines der Opfer musste sich im Krankenhaus wegen einer zertrümmerten Nase ärztlich behandeln lassen. Dies ist seit 2007 bereits der dritte, bekannte Überfall. Wie „Spiegel-Online“ berichtete, hatte es bereits im Vorfeld einen Angriff auf die Pizzeria, in die sich die Gejagten 2007 glücklicherweise retten konnten, gegeben. Dabei wurde ein Angestellter des Imbisses zusammengeschlagen. Wie beim ersten Angriff übte sich Deuse auch Anfang März wieder im Relativieren. Ausländerhass sei als Motiv für die Überfälle auszuschließen, denn er wisse, dass bei der letzten Attacke „keine fremdenfeindlichen Äußerungen gefallen“ seien. (Woher eigentlich?) Auch beim vorherigen Überfall gäbe es keine Hinweise auf ein fremdenfeindliches Motiv, denn der zusammengeschlagene Angestellte der Pizzeria „war ja ein Deutscher“.
Dass die Betreiber der Pizzeria seit fast zwei Jahren ihres Lebens nicht mehr sicher sein können, scheint Deuse gar nicht erst wahrnehmen zu wollen. Stattdessen übte er sich erneut im Abwehren möglicher Kritik seitens der Medien: „Da wird ja wieder so vieles aufgebauscht.“ Mit der permanenten Bedrohung müssen die Opfer nach Deuses Ansicht wohl leben: „Dass es gewalttätige Jugendliche gibt, ist doch nicht nur in Mügeln der Fall. Das gibt es doch in allen Städten.“ Komisch nur, dass bisher keiner dieser Jugendlichen auf die Idee gekommen ist, Deuse die verdiente Prügel anzubieten.
Mit aller Rücksicht auf verletzte linke Gefühle: Der mann ist Bürgermeister seiner Stadt, also sowas wie der verteidiger eines Angeklagten. Kein Richter, kein Staatsanwalt, nicht mal Polizist. Selbstverständlich wird er seine Stadt und ihre Bürger immer entschuldigen, in Schutz nehmen, verteidigen. Dafür u.a. wird es bezahlt.
Wer ihn deshalb angreift, hat das Thema nicht verstanden. Denkt es doch mal andersrum: was würde passieren, wenn EIN Bürgermeister einer belieben Stadt sagen würde, „hier, in meiner Kommune, sind wir alle machtlos gegen Nazis, die insgeheim längst eine Gewaltherrschaft errichtet haben“.
Am nächsten Morgen wären sie alle da, von „Spiegel“ bis „Bäckerblume“, um zu enthüllen, um was für ein grausiges Nazinest es sich handelt.. Und am übernächsten wäe der Bgm. nicht mehr im Amt.
Aha, ein Bürgermeister hat also die Aufgabe, die prügelnden Nazis, die es in seinem Ort gibt, zu verteidigen. Ist halt seine Klientel.
Schon mal drüber nachgedacht, dass es keinen „Fall Mügeln“ – soll heißen: keine negative überregionale Presse – gegeben hätte, wenn der Bürgermeister nach dem ersten Überfall aufdie Inder gesagt hätte, was auch in anderen Orten nach entsprechenden Vorfällen getan wird: „Ja, hier gibt es ein Problem mit Rechtsextremismus. Aus diesem Grund rufe ich ein großes ‚Bündnis für Zivilcourage‘ ins Leben, in dem ich selbst den Vorsitz übernehme, und kritisiere den Übergriff aufs Schärfste.“ Möglicherweise wären Spiegel und Stern auch da gewesen, aber der BM und die Dorfies wären als couragierte Bürger dagestanden und das Ministerium hätte im zweifel auch noch ein paar Fördergelder lockergemacht. Es gibt doch hunderte Berichte a la „Ein Dorf wehrt sich gegen rechts“. Das kann man kritisieren, heuchlerisch finden oder was auch immer. Aber eine Notwendigkeit, als autochthoner Bürgermeister die widerlichste Aktionen seiner Mitbewohner zu verteidigen, nur weil man halt, wie Du anzunehmen scheinst, eine „Gemeinschaft“ ist, besteht ja wohl nicht.
Ob es seine Aufgabe ist, weiß ich nicht. Der hier hat sie aber als seine verstanden. Das kannst Du gut finden oder schlecht, ich würde mir einfach nicht anmaßen, es beurteilen zu können, weil ich einfach zuwenig über Mügeln und die Vorfälle weiß.
Im Unterschied zu Dir bin ich nämlich nciht der Ansicht, dass das, was darüber im fernsehen kam, oder das, was die Qualitätsmedien darüber geschrieben haben, auch nur im Entferntesten mit dem zu tun hat, was dort passiert ist.
Vielleicht darf ich dich auch noch an Mittweida erinnern? Dort hat die Presse übers Wochenende einen „braunen Sumpf“ erfunden, ohne jemanden auch nur danach zu fragen. Soll, Deiner Ansicht nach, der dortige Bürgermeister dann am Montag ungeachtet dessen, was er über seine Stadt weiß, zugeben, dass die Schreibtischtäter aus Hamburg, München und Berlin seine Stadt besser kennen als er selbst?
Er muss danach mit den Bürger seiner Stadt weiterleben, die Karawane der Empörten ist dann schon längst weitergezogen.
Ich stamme zufällig aus der Gegend von Mittweida. Falls die Presse da „übers Wochenende“ noch einen braunen Sumpf dazu erfunden hat, dann gibt es jetzt zwei. Ein brauner Sumpf war nämlich definitiv schon vor der Presse da.
Siehe auch http://aamw.blogsport.de/